Seit 01. Juni gilt bundesweit das Neun-Euro-Ticket. Ziel ist es, mehr Menschen auf die Schiene zu bringen und so zum Klimaschutz beizutragen. Welche Probleme dabei auftreten können und ob das Ticket den RVV an seine Grenzen bringt.
Lange wurde darüber diskutiert. Die einen haben sich beschwert. Andere sehen es als Chance. Worum es geht? Das Neun-Euro-Ticket, das seit dem 01. Juni bundesweit in allen Regionalverkehrsmitteln gilt. Doch wie sieht es im RVV-Gebiet aus? Wird es nun zu Menschenaufläufen in Bus und Bahn kommen, kommt es gar zum logistischen Kollaps oder sind die Verkehrsunternehmen darauf vorbereitet? Menschen auf die Schiene bringen und damit die Energie- und die Klimakrise abzufedern – das ist zumindest der Plan der Bundesregierung. Ob das klappt oder ob es nur reiner Aktionismus war, wird sich zeigen.
Fahrgastzahlen in Regensburg steigen
Seit Jahren stiegen die Fahrgastzahlen im Gebiet des Regensburger Verkehrsverbunds. Waren es im Jahr 2014 noch etwa 36 Millionen Fahrgäste pro Jahr, so stieg diese Zahl bis Ende 2019 auf rund 40 Millionen Mitfahrende an. Zur Einordnung: Bei 40 Millionen Fahrgästen im Jahr könnte man das Jahnstadion jeden Tag mehr als sieben Mal füllen. Dieser Anstieg ist definitiv ein positives Zeichen in Anbetracht der zu erreichenden Klimaziele. Doch dann kam die Pandemie und zumindest die Fahrgastzahlen brachen um knapp acht Millionen deutlich ein. Das lag nicht zwangsläufig an der Scheu vor öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern auch an vermehrtem Homeoffice oder Corona-Beschränkungen wie der 3G-Pflicht in Bus und Bahn.
Im darauffolgenden Jahr 2021 konnte man sich nur sehr gering von diesem Einbruch erholen, die Pandemie beherrschte ja noch immer unser aller Leben. Mit weiterem Wegfallen von Beschränkungen und zunehmender Rückkehr aus dem Homeoffice steigerten sich in diesem Jahr die Fahrgastzahlen wieder etwas mehr, doch reicht es noch lange nicht, um präpandemisches Niveau zu erreichen. Ein weiteres, positives Signal ist dagegen die Zunahme von Job-Ticket Anfragen durch Unternehmen, wie Kai Müller-Eberstein, Geschäftsführer des RVVs, auf Anfrage darlegt.
Weniger Nachfrage, weniger Angebot?
Wer sich jetzt an den Wirtschaftsunterricht in der Schule erinnert, könnte denken: Wenn weniger Menschen den ÖPNV nutzen, dann rentierte es sich kaum, das Angebot beizubehalten. Doch ein Blick auf die Zahlen des RVV zeigt: Diese Annahme ist falsch. Zwar nahm das Angebot – gemessen in Wagenkilometern – im Jahr 2020 tatsächlich um 0,3 Prozent leicht ab, jedoch stieg die Betriebsleistung im darauffolgenden Jahr 2021 mit 3,3 Prozent zu vorpandemischen Niveau wieder deutlich an. Das Angebot ist also trotz reduzierter Fahrgastzahlen weiter gestiegen.
RVV rechnet nicht mit Überlastung
Wie sich die Nachfrage mit der Einführung des Neun-Euro-Tickets verändern wird, werde auch beim RVV mit Spannung erwartet, so Müller-Eberstein. Es sei jedoch schwierig, zu einem so frühen Zeitpunkt eine konkrete Aussage zu treffen. Da die Fahrgastzahlen noch immer weit unter präpandemischem Niveau liegen, gehe man beim RVV derzeit nicht davon aus, dass Kapazitäten erhöht werden müssten oder gar eine Überlastung drohe. Auf bestimmten Strecken werde es sicherlich zu etwas höheren Auslastungen kommen, dort werde man dann punktuell die Kapazität zu den Stoßzeiten erhöhen können, versichert der RVV. Sollte die Nachfrage dagegen deutlich ansteigen, so würde auch die Auslastung in den Bussen und Bahnen steigen.
Kurzfristige Anpassung problematisch
Aufgrund der kurzfristigen Einführung des Tickets sei es dann aber finanziell wie organisatorisch nicht möglich, von heute auf morgen die gesamte Kapazität im RVV-Gebiet sowie deutschlandweit zu erhöhen. Busse und Bahnen können schließlich nicht über Nacht bestellt und eingesetzt werden. Außerdem sei es besonders in den Sommerurlaubsmonaten schwierig, zusätzliches Fahrpersonal zur Verfügung zu stellen, erklärt der Geschäftsführer. Lediglich im Kundenservice werde man die Kapazitäten sowohl im Kundenzentrum am Hauptbahnhof als auch in der Telefonhotline generell erhöhen, so Müller-Eberstein weiter.
Einen Ansturm, wie man ihn auf Sylt erwartete, schließt der RVV-Geschäftsführer aus. Er schätzt hingegen, dass in den klassischen Urlaubsregionen, etwa im bayerischen Oberland, der touristische Verkehr am Wochenende deutlich zunehmen werde.
„Neun-Euro-Ticket ist eine kurzfristige Maßnahme“
Mit dem Neun-Euro-Ticket möchte die Bundesregierung die Menschen von den steigenden Energiepreisen entlasten und sie gleichzeitig vom Umstieg auf den klimafreundlicheren ÖPNV überzeugen. Zur Finanzierung habe man 2,5 Milliarden Euro in die Hand genommen – die Summe entspreche einem Viertel der Ticketeinnahmen, welche die Länder in diesem Jahr erwarten. Obwohl die Sommermonate Juni, Juli und August nicht zu den einnahmestarken Monaten zählen, wird vom Bund das volle Viertel ausgezahlt, betonte Bundesverkehrsminister Volker Wissing in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“.
Beim RVV stellt man sich hingegen die Frage, wie sinn- und wirkungsvoll diese Investition sein wird. Die 2,5 Milliarden Euro hätte man in nachhaltigere Projekte zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs stecken können, verweist RVV-Geschäftsführer Müller-Eberstein. „Das Neun-Euro-Ticket ist eine kurzfristige Maßnahme – inwieweit sich hieraus langfristige Effekte ergeben, bleibt abzuwarten“, so der RVV weiter. Dennoch sehe man auch beim Verkehrsverbund die Chance, neue Kundinnen und Kunden von umweltfreundlicher Mobilität zu überzeugen, und man werde viel dafür tun, diese langfristig zu halten.
Alles gleich, aber billiger
Für bestehende und werdende Kund:innen soll möglichst alles so bleiben wie bisher – nur eben billiger. Tickets, egal ob Neun-Euro-Tickets oder herkömmliche Tickets, sollen weiterhin über die üblichen Verkaufswege – per Automat, Schalter oder App – erhältlich sein. Zudem werde man in den drei Geltungsmonaten des Neun-Euro-Tickets Abonnent:innen nur die Neun Euro statt der üblichen Summe vom Konto abbuchen. Wer sein Ticket anderweitig bezahlt, wird vom RVV persönlich angeschrieben oder solle sich an die zuständigen Partner wenden. Besitzer:innen des Job-Tickets werden demnach vom Arbeitgeber informiert, Studierende mit ihren Semestertickets von der Uni, der Hochschule oder dem Studentenwerk. Schüler:innen und Auszubildende in Besitz eines 365-Euro-Tickets sollten sich hingegen direkt an den RVV wenden.
Marco Stoiber | filterVERLAG