Viele Menschen fühlen sich im Bereich um den Regensburger Bahnhof aufgrund der steigenden Kriminalitätsrate zunehmend unsicher. Im Januar wurde eine Frau in dem Gebiet Opfer einer Vergewaltigung. Doch worin liegen die Ursachen für den Anstieg der Straftaten, wer sind die Menschen, die diese Delikte begehen und was wird dagegen getan?
Immer öfter beobachtet man im Bereich um den Bahnhof Menschen, die Dinge austauschen, sich gegenseitig körperlich angreifen oder offensichtlich Drogen konsumieren. Viele, die durch das Bahnhofsgebiet gehen müssen, empfinden zunehmend ein Gefühl von Unbehagen. Auch die gestiegenen Zahlen an Straftaten im Bahnhofsbereich scheinen eine klare Sprache zu sprechen. Am 23. Januar wurde von der Polizei bekannt gegeben, dass eine 27-Jährige um 14:00 Uhr nachmittags im Fürst-Anselm-Park, der direkt an den Bahnhof angrenzt, vergewaltigt worden sein soll. Hier hat die Polizei allerdings zwischenzeitlich Ermittlungen gegen die Frau aufgenommen „wegen Vortäuschens einer Straftat“. Einige Tage später kam jedoch eine weitere Meldung über eine Vergewaltigung im Bahnhofsgebiet, wobei kurz darauf die Täter ausgemacht werden konnten. Ein Schock für viele Regensburgerinnen und Regensburger, der das mulmige Gefühl noch weiter verstärkt.
Über den Grund für die steigenden Zahlen und darüber, wer die Menschen sind, die am Bahnhof nun vermehrt straffällig werden, haben wir sowohl mit dem Polizeipräsidium Oberpfalz, der Bundespolizei Waldmünchen als auch mit der Staatsanwaltschaft Regensburg gesprochen. Sowohl bei ihnen als auch beim Fraktionsvorsitzenden der CSU, Michael Lehner, sowie beim Fraktionsvorsitzenden der SPD, Dr. Thomas Burger, haben wir nachgefragt, wie man sich als Bürgerin oder Bürger vor Ort verhalten sollte und was vor allem seitens der Polizei und Politik getan wird, dass sich die Menschen am Bahnhof wieder sicher fühlen können.
Auch Sexualdelikte angestiegen
Dass die Zahlen der Straftaten im Gebiet um den Regensburger Bahnhof im Jahr 2023 gestiegen sind, ist spätestens seit der Pressekonferenz, die auf Einladung des Polizeipräsidiums Oberpfalz im Dezember stattgefunden hat, allgemein bekannt. Polizeihauptkommissar und Pressesprecher Michael Zaschka vom Polizeipräsidium Oberpfalz bestätigt die Zahlen, betont jedoch, dass sich viele Delikte häufig innerhalb bestimmter „Szenen“ abspielen. Das gelte beispielsweise in puncto Raubdelikte, aber auch für Sexualdelikte. Insbesondere innerhalb der BtM-Szene [Anm. d. Red. Betäubungsmittel] komme es häufig zu Übergriffen: „Wenn Prostitution mit dem Thema Geldmangel zusammen kommt, kommen Sexualdelikte häufig vor.“ Michael Lehner von der CSU schildert: „Hier werden zum Teil Drogen gegen sexuelle Handlungen ‚getauscht‘. Das wird seitens der Polizei noch nicht als Vergewaltigung eingestuft. Zusätzlich kommt es dann jedoch oft dazu, dass der Verkäufer der Drogen auch noch von der Frau verlangt, mit weiteren Männern Sex zu haben, bevor sie tatsächlich ‚ihren Stoff‘ erhält. Und dann ist es natürlich eine Vergewaltigung.“ Zaschka teilte auf filter-Rückfrage mit, dass jedoch keine differenzierten Zahlen vorliegen würden, wie viele Sexualdelikte Szene-intern erfolgt seien und wie viele Passantinnen betroffen gewesen seien.
Insgesamt seien laut Matthias Gröger, Polizeihauptkommissar und Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz, aber auch im Bereich der Sexualdelikte die Zahlen im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen und würden damit innerhalb der vergangenen Jahre einen neuen Höchstwert erreichen. Eine genaue Anzahl liegt hier noch nicht vor, da die Veröffentlichung der Polizeilichen Kriminalstatistik erst im März 2024 erfolgt.
Entwicklung der Straftaten im Überblick
Eine Auswertung des Polizeipräsidiums Oberpfalz zeigt, dass die Zahlen der Delikte am Bahnhof bereits im Jahr 2022, verglichen mit den beiden Vorjahren, stark gestiegen sind. 2018 und 2019 lag die Zahl der Gesamtstraftaten allerdings noch höher. Laut Polizeipräsidium Oberpfalz wird der Wert für 2023 sowohl die Zahlen aus dem Jahr 2022 als auch die aus 2018/19 übertreffen. In Bezug auf Betäubungsmittel-Delikte verweist das Polizeipräsidium Oberpfalz darauf, dass hier durch die verstärkte Präsenz deutlich mehr Kontrollen durchgeführt worden seien und es unter anderem auch dadurch zu erhöhten Zahlen gekommen sei.
Quelle: Polizeipräsidium Oberpfalz
Welche Menschen begehen die Straftaten am Bahnhof?
Eine Frage, die viele Bürgerinnen und Bürger beschäftigt, ist, wer die Menschen sind, die diese Straftaten am Bahnhof begehen. An dieser Stelle drängt sich zunächst die Frage auf, ob sich im Bereich um den Bahnhof bereits Strukturen entwickeln, die auf eine organisierte Kriminalität hinweisen. Mit der konkreten Frage konfrontiert, beschreibt Gröger, dass in den Bereichen der Eigentums- und Betäubungsmittelkriminalität durchaus immer wieder Fälle auffallen würden, „bei welchen ein gezieltes Zusammenwirken mehrerer Personen erkennbar ist.“ Beim überwiegenden Teil der Delikte handle es sich seiner Aussage nach jedoch um Einzeltäter.
Man hört immer wieder von verschiedenen Gruppen, die sich das Areal um den Bahnhof „aufgeteilt“ haben sollen. Diese spezifische Aufteilung haben uns auf Rückfrage jedoch weder das Polizeipräsidium Oberpfalz noch die Bundespolizei Waldmünchen so bestätigt. Welche Gruppen sich genau am Bahnhof befänden, dazu könne laut Gröger keine konkrete Aussage getroffen werden, da diese teilweise sehr vielfältig besetzt und einem ständigen Wechsel unterzogen seien. Er berichtet jedoch, dass im Vergleich zu den letzten Jahren im Jahr 2023 vermehrt Gruppen aus tunesischen Staatsangehörigen im Bahnhofsbereich festgestellt werden konnten und dass diese nach den deutschen Tatverdächtigen am zweithäufigsten straffällig wurden. Damit belegen deutsche Tatverdächtige weiterhin den ersten Platz. Auch im Bereich der Sexualdelikte teilte Polizeihauptkommissar Gröger mit, dass die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen 2023 im Vergleich zum Vorjahr sinken werde.
Im Jahr 2022 wurden im Bahnhofsviertel 406 Tatverdächtige ermittelt. Hiervon hatten 262 die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen betrug somit etwa 35 Prozent, womit auch 2022 die meisten Straftaten im Bahnhofsviertel von Deutschen verübt wurden. Die fünf häufigsten Nationalitäten der nichtdeutschen Tatverdächtigen mit der zugehörigen Anzahl in dem Gebiet werden in der Tabelle aufgeschlüsselt.
Quelle: Polizeipräsidium Oberpfalz
Auffällig ist an der Stelle, dass die tunesischen Tatverdächtigen im Jahr zuvor noch nicht die oberen Plätze besetzt haben. Doch woran liegt das? Michael Lehner von der CSU sieht das vor allem im Ankerzentrum begründet: „Wir sind das einzige Ankerzentrum für Tunesier hier in Bayern. Die Regierung verfolgt den logischen Ansatz, dass man ähnliche Ethnien zusammenfasst. Das hat den Vorteil, dass sich diese untereinander weniger streiten, aber den Nachteil, dass Gruppierungen entstehen.“ Auch Zaschka verweist darauf, dass das Ankerzentrum durchaus eine Rolle spiele: „Wir haben gemerkt, dass sich dieses im Jahr 2023 gefüllt hat. Hier befinden sich Asylbewerber, für die das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist oder bei denen zum Teil die Rückführung in ihr Land ansteht. Dadurch, dass die Personen im Ankerzentrum nicht in Arbeit sind und gleichzeitig eine große Nähe zur Innenstadt besteht, halten sich diese häufig dort auf. Einige von ihnen rutschen dann in die Kriminalität ab.“
„Das ist keine Asyldebatte“
„Da statistisch gesehen trotzdem die meisten Straftaten im Bereich um den Bahnhof von Deutschen verübt wurden, würde ich die Situation am Bahnhof nicht als ‚Ausländerproblem‘, sondern als ‚Kriminalitätsproblem‘ bezeichnen“, findet Dr. Burger und ergänzt: „Natürlich kommen manche mit dem ‚Ticket Asyl‘ nach Deutschland, aber da leiden auch die anderen Asylbewerber darunter, die sich gerne integrieren würden. In Deutschland gibt es viele Steuerhinterziehende, deshalb sage ich aber auch nicht, dass alle Deutschen Steuerhinterzieher sind“, vergleicht der Politiker. Laut Lehner vertritt die CSU trotzdem die Meinung, dass die, die straffällig werden, auch abgeschoben werden. „Das ist meiner Meinung nach keine besonders rechte Forderung. Wenn jemand das Gastrecht missbraucht und hier eine Straftat begeht, muss er abgeschoben werden. Dazu gehört für mich auch das Dealen mit Drogen.“
Dr. Burger räumt ein: „Es ist im Moment mehr Zuwanderung da und natürlich kommt hier automatisch auch ein gewisser Prozentsatz an potenziellen Straftätern mit.“ Er ist jedoch der Meinung, dass Straftäter auch ein anderes Schlupfloch finden würden, um nach Deutschland zu kommen, selbst wenn das Asylrecht stark verschärft werden würde. Er warnt in diesem Zusammenhang vor der vermeintlich „einfachen Lösung“, mehr Menschen abzuschieben: „Die Menschen, die kriminell sind, werfen ihren Ausweis häufig einfach weg, können also nicht so leicht abgeschoben werden. Die hingegen, die sich an die Regeln halten, müssen letztendlich das Land verlassen.“ Auch bei der Staatsanwaltschaft Regensburg ist bekannt, „dass geplante Rückführungen häufig dadurch erschwert werden, dass die Betroffenen keine Ausweise/Reisepässe haben“.
Erhöhte Kontrolle als wirksame Maßnahme
Unabhängig davon, wer die Straftaten begeht, stellt sich die Frage, was gegen die Ausnahmesituation am Bahnhof bereits unternommen wird und was zukünftig geplant ist. Zaschka versichert, dass bereits verschiedene Maßnahmen laufen würden: „Zum einen wurde ein Paket gestartet, das aus einer erhöhten Polizeipräsenz und damit verbundenen Kontrolltätigkeiten besteht, um die örtlich zuständige Polizeiinspektion Regensburg Süd zu unterstützen – durch Kräfte der Bereitschaftspolizei, aber auch die Einsatzzüge des Polizeipräsidiums Oberpfalz.“ Michael Lehner berichtet, dass es eine mobile Wache mit zwei VW Bussen gebe, von der eine zu bestimmten Zeiten immer am Schwammerl stehe, während die andere Patrouille fahre. Was dem ein oder anderen bereits aufgefallen sein dürfte, ist die Reiterstaffel vom Polizeipräsidium Mittelfranken, die auch gelegentlich im Parkbereich Streife reitet. Diese scheint laut Lehner wohl besonders gut zur Abschreckung geeignet zu sein. Die erhöhte Präsenz verbessert sowohl die Kontrollmöglichkeiten als auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen.
Ermittlungsgruppen und beschleunigte Verfahren für Mehrfach-Straftäter
Neben diesen präventiven Maßnahmen wurden Polizei-intern drei eigenständige Gruppen gebildet. Das seien laut Zaschka zum einen zwei Ermittlungsgruppen der PI Regensburg Süd. Eine davon habe sich auf den Bereich Rad, Diebstahl und Sucht spezialisiert: „Wenn man als polizeilicher Sachbearbeiter immer wieder ähnliche Fälle behandelt, kann man Parallelstrukturen und Zusammenhänge deutlich leichter feststellen.“ Die andere Ermittlungsgruppe fokussiere sich auf Mehrfach- und Intensivtäter und bei der dritten Gruppe handle es sich um eine interdisziplinäre Gruppe mit anderen Behörden, „bei der die Polizei als Ansprechpartner und Zentralstelle fungiert, um mit der Stadt, dem Amtsgericht und der Staatsanwaltschaft sehr eng zusammenzuarbeiten und Maßnahmen abzustimmen“, ergänzt er. Wenn die Ermittlungsgruppen von einer Person wüssten, die sich in diesem Bereich als sehr aktiv erweise, werde der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass diese im beschleunigten Verfahren behandelt werden solle, sodass es schnell zur Hauptverhandlung komme. „Die klare Zielrichtung ist hier, einen Haftbefehl zu erwirken“, so der Polizeihauptkommissar.
Städtebau statt Wohlfühlgelände am Bahnhof?
Die CSU schlägt zudem einen städtebaulichen Ansatz vor. Neben engen Kontrollen der Polizei sei die Präsenz von Menschen vor Ort wichtig. In diesem Punkt sind sich Michael Lehner und Dr. Thomas Burger von der SPD einig. Ihre Ansätze unterscheiden sich jedoch dahingehend, dass Lehner städtebauliche Maßnahmen wie den Bau eines Supermarktes, T-Punkts, Handy-Shops oder einer Skylounge, wie in anderen Großstädten, vorsieht, während Dr. Burger für kurzfristig umsetzbare mobile Lösungen und eine Verschönerung des Raums um den Hauptbahnhof ist. Der SPD-Politiker könne sich etwa einen mobilen Café-Kiosk in Form eines Containers mit kleinem Freisitz vorstellen. „So etwas Ähnliches, vielleicht in etwas schöner (lacht), wie den am Dachauplatz-Parkhaus.“ Mobile Bäume oder Blumen würde er ebenfalls begrüßen, da er der Meinung ist, dass ein schönes Eingangstor in die Stadt auch wieder mehr Frequenz erzeugen würde: „Ich sehe in der mobilen Lösung zudem eine Chance, gewisse Dinge auszuprobieren und gegebenenfalls wieder zu optimieren.“
Es stellt sich allerdings die Frage, ob Inhaber hier überhaupt Läden oder Cafés – ob mobil oder stationär – eröffnen wollen. Der EDEKA Dirnberger im Bahnhof verzeichnet eine so hohe Diebstahlsrate, dass er eine sogenannte „Wall of Shame“ angebracht hat, die aufzeigt, wie viele Diebstähle bisher begangen wurden.
Laut Lehner gestalte sich auch die Personalsuche zunehmend schwierig. Dr. Burger geht jedoch davon aus, dass Ladenbesitzer durchaus einen Kiosk eröffnen würden, „wenn die Umgestaltung erfolgt ist und die subjektive Aufenthaltsqualität sowie das Sicherheitsgefühl wieder steigen.“
Weniger Büsche, mehr Beleuchtung
Die CSU habe laut Lehner bereits 2022 eine Auslichtung des Parks gefordert. „Mittlerweile sind bereits einige Büsche entfernt worden, was wohl durchaus hilft, weil somit weniger ‚Drogenbunker‘ angelegt werden können“, erläutert er und betont, dass die Vegetation in diesem Bereich zwar reduziert werde, es sich dabei jedoch vorwiegend um Büsche und herabhängende Äste handle, Bäume würden natürlich bestehen bleiben. „Somit werden die Sichtachsen sowohl für Passanten als auch für die Polizei erhöht.“
Sowohl die SPD als auch die CSU sprechen sich zudem für eine bessere Ausleuchtung aus: „Wir fordern schon länger eine Beleuchtung. Das Umweltamt hat hier jedoch eine Stellungnahme abgegeben, dass das wegen den Fledermäusen nicht ginge“, kritisiert Lehner. „An dieser Stelle muss ich sagen, dass trotz Sinn für Naturschutz eine vergewaltigte Frau oder Körperverletzung aus meiner Sicht schwerer wiegen als eine Fledermaus, die sich sicherlich einen anderen Habitus in der Gegend suchen kann. Wir haben uns letztendlich darauf geeinigt, dass man das mit Bewegungsmeldern löst.“ Die plötzliche Beleuchtung hat gegebenenfalls zusätzlich eine abschreckende Wirkung. „Geplant sei die Ausleuchtung zunächst in den Abschnitten um den Obelisk, den Milchschwammerl und den Petersweg“, erläutert der CSU-Fraktionsvorsitzende. Wann diese konkret umgesetzt werden, ist laut Lehner noch unbekannt. Auch für Dr. Burger ist klar: „Die Sicherheit von Menschen muss hier klar Priorität haben.“
Welchen Einfluss hat die Sperrung der Durchfahrtsstraße am Bahnhof?
Obwohl beide für eine Stärkung der Frequenz im Bahnhofsbereich sind, sind sich Lehner und Burger bezüglich der Sperrung der Durchfahrtsstraße vor dem Bahnhof uneinig. Die CSU ist klar gegen die Sperre und begründet es damit, dass „eine Autofrequenz auch eine Frequenz“ sei und diese eine abschreckende Wirkung haben könne. „Unabhängig davon, dass der Einzelhandel und die Dienstleister außen rum natürlich leiden, weil ein riesiger Umweg gefahren werden muss“, ergänzt er. Die CSU sei froh, dass jetzt zumindest der Bus wieder durchfahren dürfe. Dr. Burger weist dagegen darauf hin, dass einvernehmlich lediglich eine Sperrung für den Individualverkehr erfolgt sei, um einen reibungslosen Busverkehr zu ermöglichen. Dass wegen einer „erhöhten Frequenz durch Pkws“ eine erhöhte Sicherheit gegeben sei, sieht er als Trugschluss. „Ich bin überzeugt, dass die Frequenz von Radfahrern und Fußgängern – die etwas langsamer unterwegs sind – deutlich effektiver ist, weil diese eine bessere Wahrnehmung haben. In dieser Gegend haben wir den Radverkehr unter anderem durch zusätzliche Abstellanlagen gestärkt.“
Was bedeutet die Einstufung „gefährlicher Ort“?
„Als weitere Reaktion wurde der Bahnhof durch die Polizei als ‚gefährlicher Ort‘ definiert. So wurden hier in Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt bereits Betretungsverbote für einzelne Personen erlassen, die hier sehr intensiv auftreten“, schildert Zaschka. Doch was bedeutet die Einstufung als „gefährlicher Ort“ konkret? In erster Linie eröffnet diese der Polizei verschiedene Möglichkeiten: „Die Beamten dürfen unter anderem sowohl Identitätsfeststellungen von Tatverdächtigen vornehmen als auch Personen an diesem Ort leichter durchsuchen – ohne konkrete Begründung. Handelt es sich nicht um einen ‚gefährlichen Ort‘, ist dafür immer ein Anfangsverdacht beziehungsweise eine Rechtsgrundlage nötig“, erläutert Gröger.
Es sind jedoch nicht alle Teile des Bahnhofs als solcher betitelt. Sylvia Hieninger von der Bundespolizeiinspektion Waldmünchen teilte mit, dass man im Februar 2023 aufgrund des Anstiegs von Gewaltdelikten die Anlagen und Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes am Hauptbahnhof Regensburg, inklusive der Bahnsteige und dem gleisüberspannenden ARCADEN-Steg, als „gefährdete Objekte“ nach dem Bundespolizeigesetz eingestuft habe. „Im Herbst vergangenen Jahres wurde am Hauptbahnhof Regensburg Videoüberwachung installiert.“ Auch die Zu- und Abwege des Bahnhofs sowie der Interims-ZOB sind Großteils videoüberwacht. „Die Polizei kann dann, z. B. zur Verfolgung einer Straftat, auf die Kamerabilder direkt zugreifen. Die Videoaufzeichnungen werden nur temporär gespeichert, soweit sie nicht zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr oder zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit benötigt werden. Mit der Videoüberwachung konnten bereits eine Vielzahl von Straftaten aufgeklärt und Täter identifiziert werden“, erläutert Hieninger. Im Falle der Frau, die am 25. Januar dieses Jahres Opfer eines Sexualdelikts im Bahnhofsbereich wurde, führte die hier bereits installierte Videoüberwachung zur Ermittlung der Tatverdächtigen – zwei tunesischen Staatsangehörigen im Alter von 20 und 22 Jahren. Bereits am Folgetag ergingen die Untersuchungshaftbefehle gegen die beiden. Sie wurden in unterschiedliche Justizvollzugsanstalten eingeliefert.
Wird der Schwammerlpark bald auch kameraüberwacht?
Bereits im vergangenen Jahr ist der sogenannte Schwammerlpark, der Park entlang der Fürst-Anselm-Allee, als „gefährlicher Ort“ eingestuft worden. „Diese Einstufung hat jedoch nicht automatisch eine Videoüberwachung zur Folge“, erläutert Gröger. „Im Moment wird noch geprüft, ob auch der Park kameraüberwacht wird.“ Dies sei jedoch auf jeden Fall geplant und seitens der Polizei gewünscht. Sowohl Lehner als auch Dr. Burger sprechen sich ebenfalls dafür aus: „Dadurch könnten die Täter deutlich besser und schneller ermittelt werden. Es wären nicht mehr zahlreiche Zeugenbefragungen notwendig und die Beschränkung der Polizei auf Indizien fiele weg“, so Dr. Burger.
Wenn die Gruppen vor Ort merken würden, dass der Bereich kameraüberwacht werde, werde es wahrscheinlich zu Verlagerungseffekten kommen, schätzt der Fraktionsvorsitzende der SPD. Dem Einwand, dass das Problem dadurch nicht gelöst sei, stimmt er zu, geht aber davon aus, dass bestimmte illegale Handlungen an anderen Orten, wie den engen Gassen der Innenstadt, nicht mehr so einfach zu realisieren seien. Trotzdem werde alles daran gesetzt, das Problem bei der Wurzel zu packen. „Wenn Gruppen merken, dass sie in Regensburg nicht mehr gut ‚arbeiten‘ können, werden sie ihr Geschäft hier nicht weitertreiben“, ist er überzeugt.
Bahnhofsumfeld in keinem Fall meiden
„Es darf in Regensburg keinen Ort geben, wo sich die Menschen nicht hintrauen“, findet Dr. Burger und stellt klar, dass es sich bei der Einstufung des Bahnhofsumfelds als „gefährlicher Ort“ lediglich um einen formaljuristischen Begriff handle, der der Polizei mehr Handlungsmöglichkeiten einräume. Denn in einem Punkt sind sich sowohl Polizei als auch beide Politiker einig: Dass Bürgerinnen und Bürger das Bahnhofsumfeld in keinem Fall meiden sollten: „Je mehr normales Leben sich dort abspielt, desto weniger halten sich hier die verschiedenen Szenen auf“, erklärt Zaschka und ergänzt, dass es trotzdem ratsam sei – schon allein für ein Gefühl von Sicherheit – nicht alleine unterwegs zu sein.
Doch wie sollte man sich verhalten, wenn man eine Straftat beobachtet? Zaschka erklärt, dass hier in jedem Fall der Polizeinotruf 110 gewählt werden sollte. „Hier ist wichtig, dass der Zeuge der Polizei auch für Rückfragen zur Verfügung steht.“ Sollte es sich um ein Sexualdelikt handeln, in dem akutes Eingreifen gefragt sei, könne man andere Menschen mit ansprechen, wenn man sich nicht traue, alleine zu intervenieren. Ob dann direkt vor Ort auf das Eintreffen der Beamten gewartet werden müsse, könne direkt im Gespräch mit dem Polizeinotruf geklärt werden. Manchmal reiche es, wenn man telefonisch weiter zur Verfügung stehe, erläutert Zaschka.
Eindruck bleibt
Mit der Frage konfrontiert, warum trotz Präventionsmaßnahmen und erhöhter Polizeipräsenz der Eindruck in der Bevölkerung bleibt, dass die Gegend um den Bahnhof nicht mehr sicher sei, entgegnet er: „Ich denke, dass hier eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielt. Zum einen halten sich am Bahnhof, vor allem in den Abendstunden, Gruppen, unter anderem Jugendgruppen, auf, die durchaus Delikte begehen – viele davon aber innerhalb der Gruppe. Streitereien werden häufig aggressiv und körperlich gelöst. Wenn man hier als Passant vorbeigeht, ist es nachvollziehbar, dass in dem Moment ein Gefühl des Unbehagens aufkommt.“ Das andere sei die Betäubungsmittelszene. „Wenn hier gerade keine Streife in der Nähe ist, kann es durchaus sein, dass man als Passant beobachtet, dass mit Betäubungsmitteln gehandelt wird oder jemand gerade konsumiert. So nimmt man die Rauschgiftszene eventuell aktiv wahr. Diese Wahrnehmung beeinträchtigt in Kombination mit der Medienberichterstattung über die steigende Kriminalität am Bahnhof selbstverständlich auch das subjektive Empfinden der Bürgerinnen und Bürger.“ Deshalb sei ihm wichtig, sowohl durch gezielte Maßnahmen die Sicherheit objektiv zu steigern, als auch das subjektive Gefühl von Sicherheit wieder herzustellen.
Zum Thema subjektive Wahrnehmung erzählt Dr. Burger von einer Nachtschicht, die die SPD-Fraktion mit der Polizei miterleben durfte. Hier sei ihm deutlich geworden, dass manche Situationen, die auf den ersten Blick gefährlich erscheinen würden, keine Gefahr darstellten. „Wir haben gelernt, dass manche Menschen aus anderen Ländern, die eine andere Mentalität besitzen, häufig einen anderen Umgang untereinander pflegen. Wenn diese emotionaler miteinander sprechen und gestikulieren, sieht das für uns bereits sehr bedrohlich aus, die Polizei konnte an manchen Stellen aber gleich Entwarnung geben und erläutern, dass sie so ihre Meinungsverschiedenheiten austragen würden. Wenn es zu keinen Handgreiflichkeiten kommt, schreitet die Polizei nicht ein“, schildert der Politiker und unterstreicht die umfassende Sensibilität der Polizei im Umgang mit herausfordernden Situationen.
„Licht ins Dunkle“
Zaschka rückt abschließend noch einmal die Pressekonferenz Anfang Dezember 2023 in den Blick und erläutert, dass zu diesem Zeitpunkt eine leichte Verringerung der Delikte im Gebiet des Bahnhofs festzustellen gewesen sei. Das betreffe vor allem die Zahlen in den Bereichen Sexualdelikte, Raubdelikte und Körperverletzungsdelikte. Auf die Rückfrage, wie er die Zukunft des Bahnhofs sieht, gibt sich auch Dr. Burger positiv. Er ist der Meinung, dass man durch die Maßnahmen durchaus Täter an ihrem Handeln hindern könne, wenn man zum einen „die Fläche ins Licht holt, ihnen also dadurch die Möglichkeit nimmt, im Dunkeln zu arbeiten. Zum anderen bekommen wir gleichzeitig mehr Frequenz von den Leuten, weil sie sich sicherer fühlen. Und wenn wir dann noch der Polizei mehr Möglichkeit zur Handhabe geben, um sofort eingreifen zu können, sowie eine umfassende Kameraüberwachung im Bahnhofsbereich umgesetzt wird, dann denke ich durchaus, dass das Problem gelöst werden kann.“
Es bleibt daher zu hoffen, dass die geplanten Maßnahmen schleunigst genehmigt und umgesetzt werden, sodass sich sowohl Regensburgerinnen und Regensburger, aber auch Besucherinnen und Besucher unserer schönen Domstadt im Bahnhofsbereich wieder unbeschwert bewegen können.
In der nächsten filter-Ausgabe beleuchten wir weitere Aspekte, die sich bei unseren Recherchen rund um die Sicherheit des Gebiets um den Regensburger Bahnhof aufgetan haben. Sollten Sie in der Zwischenzeit noch Fragen zu der Thematik haben, können Sie uns diese gerne an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! senden. Ausgewählte Rückfragen beantworten wir dann innerhalb des nächsten Artikels.
Marina Triebswetter | filterVERLAG