Regensburg zieht die Menschen mit seinem historischen Stadtkern und den malerischen Gassen in den Bann. Im Sommer wird unsere Innenstadt jedoch zum Hitzekessel. Wir haben mit der Stadt und der OTH Regensburg gesprochen, was bereits gegen die häufig unerträgliche Hitze getan wird, was überhaupt möglich ist und was die Zukunft im Bereich Klima- und Hitzeschutz mit sich bringt.
Der Sommer ist endlich auch in Regensburg eingekehrt und mit ihm die große Hitze. Das heißt für viele, endlich wieder kurze Kleidung tragen, Sarti Spritz in der Stadt schlürfen und viele laue Sommernächte mit Freunden genießen. Gleichzeitig bedeuten die heißeren Tage jedoch eine große Anstrengung für den menschlichen Körper. Bei einem Stadtbummel oder einem Treffen in der Stadt ist man gefühlt permanent auf der Suche nach einem schattigen Plätzchen, was sich in Regensburg als schwierig erweist.
Unsere Domstadt hat eine gut erhaltene Altstadt und ist bekannt für ihre prächtigen historischen Bauwerke und das malerische Stadtbild mit den engen, verwinkelten Gassen. Doch wir leben auch in einer steinernen Stadt mit dichter Bebauung, vielen versiegelten Flächen und wenig Grünflächen. Besonders der Mangel an Bänken und schattenspendenden Bäumen stellt im Sommer insbesondere für ältere Menschen oder Kinder ein Problem dar, da diese nur begrenzte Möglichkeiten haben, sich auszuruhen. Angesichts der zunehmenden Hitzeperioden besteht hier dringender Handlungsbedarf, um die Lebensqualität aller Bürger zu verbessern.
Geht man durch die Regensburger Altstadt, sieht man mittlerweile an einigen Ecken einzelne Pflanzkübel mit verschiedenen Blumen und Bäumen stehen. Während wir Bilder für den Artikel machen, werden gerade Bäume angeliefert und am St.-Kassiansplatz abgestellt. Etwas verloren stehen einzelne Kästen zum Teil an Gebäudeecken oder vor Restaurants, ein klares Konzept scheint nicht erkennbar zu sein.
Bäume, die gerade am St.-Kassiansplatz angeliefert werden
In einem aufschlussreichen Gespräch haben wir uns mit Prof. Dr. Christoph Skornia, Prof. Dr. Karsten Weber von der OTH Regensburg sowie Franziska Meier, Katharina Schätz und Tanja Flemmig von der Stadt Regensburg über die Herausforderungen und Problematiken unterhalten, die sich in einer steinernen Stadt wie Regensburg im Sommer ergeben: Von den strengen Reglementierungen durch den Denkmalschutz und anderen Hürden bis hin zu Maßnahmen, die sich die Experten vorstellen können, um den Aufenthalt in der Stadt während der heißen Sommermonate angenehmer zu gestalten. Es ging aber auch um Projekte, die die Stadt im Zuge einer Klimaresilienz bereits plant. Dabei stand auch die Frage im Raum: Können diese Maßnahmen gleichzeitig den Klimaschutz vorantreiben?
Warum ist die Regensburger Innenstadt so heiß?
Auch in Regensburg wird es im Sommer bei großer Hitze gefühlt von Jahr zu Jahr unerträglicher. Verschiedene Faktoren sorgen dabei für dieses Empfinden: „Grundsätzlich gilt, dass die Temperatur in Städten immer höher ist als im Umland, im Schnitt ungefähr zwei Grad. Das liegt daran, dass die gebaute Umwelt, also Häuser und Straßen, Energie sehr gut speichern, sich also stark erwärmen und diese Wärme lange halten“, erläutert Prof. Weber. Das merke man daran, dass es am Abend in Regensburg noch angenehm warm, im Umland dagegen schon etwas kühler sei. Gerade in Regensburg stehen viele versiegelte Oberflächen wenigen Grün- oder Blaubereichen gegenüber – das in diesem Fall schwere Los einer steinernen Stadt. Gleichzeitig erleben wir eine durch den Klimawandel bedingte Erhöhung der Durchschnittstemperaturen, was diesen Effekt noch verstärkt. Als dritten Aspekt beschreibt Prof. Weber, dass die Niederschläge unregelmäßiger würden. „So kommt die Form der Abkühlung mal ganz heftig, wie wir es gerade durch das Donau-Hochwasser erleben mussten. Häufig gibt es jedoch lange Phasen der Niederschlagsfreiheit, wodurch die Energie nicht aus dem System herausgenommen wird.“ Das bedeutet, dass die Stadt nicht abkühlen kann, weil kein Wasser verdampfen kann, welches die Wärme mitnehmen würde.
Wie machen es andere Städte?
Dass es auch anders geht, beweisen Städte, die weiter im Süden liegen. Laut Prof. Skornia seien etwa Städte in Italien bereits seitens der Stadtplanung anders konstruiert worden, sodass man sich dort auch bei höheren Temperaturen erheblich wohler fühle. „Die schmäleren Straßen in älteren Städten sind nicht nur platzsparend, sondern auch fast den ganzen Tag abgeschattet, wodurch sie sich nicht so schnell aufheizen“, erläutert er. Zumindest dieser Effekt trifft auch auf unsere Domstadt zu. Viele südliche Städte hätten zudem begrünte Hinterhöfe. „Durch die Vegetation nimmt man die Hitzespitzen heraus, weil Wasser verdampfen kann, weil Pflanzen Schatten spenden, Staub aus der Luft filtern und damit das Mikroklima deutlich besser ist. Große Straßen sind zudem häufig mit vielen großen Bäumen bepflanzt“, so Prof. Skornia.
Eine zusätzliche Möglichkeit, um mehr Grünflächen zu schaffen, ist eine Entsiegelung, sprich eine Entfernung von Asphalt oder Beton, um den Boden wieder durchlässig zu machen. An der Stelle kann man stattdessen über Wiesen mit Wildblumen nachdenken, womit man gleich nebenbei noch etwas zum Schutz der Artenvielfalt tun würde. Städte wie etwa Wien oder Amsterdam haben bereits viele Flächen entsiegelt, Städte wie Kopenhagen, Singapur, aber auch Freiburg sorgen für Begrünung in der Stadt. Singapur setzt dabei etwa auf städtische Gärten, Amsterdam und einige andere begrünen ganze Dächer und Häuserfassaden. Es gibt also durchaus Möglichkeiten, um eine Stadt grüner zu machen.
Grünes Regensburg?
Mehr Grün in der Stadt ist auch etwas, das sich die Regensburgerinnen und Regensburger wünschen. Das könnte sowohl für Schatten sorgen als auch das Mikroklima positiv beeinflussen. Viele sind jedoch der Meinung, dass sich hier seit Jahren nichts tut. Schaut man einmal genauer hin, entdeckt man zwar an verschiedenen Ecken Pflanzkörbe mit Blumen oder kleinen Bäumen drin, sie sind jedoch immer noch relativ rar. Sie verschönern im Sommer die Stadt, um im Herbst wieder abgebaut zu werden. Gepflegt und bewässert werden diese vom Gartenamt. „Bezüglich der Pflege der Grünflächen ist das Gartenamt schon sehr smart unterwegs. Die Kolleginnen und Kollegen haben alle Grünflächen, die sie betreuen, ob Blumenbeete oder Bäume, bereits digitalisiert. Sie arbeiten sehr strukturiert und datengetrieben“, gibt Meier einen Einblick.
Für viele Bürgerinnen und Bürger ist jedoch klar: Das ist zu wenig, um tatsächlich für Abkühlung im Sommer zu sorgen. Vor allem an stark frequentierten Plätzen wie dem Neupfarrplatz scheint man der Hitze vollkommen ausgeliefert zu sein.
Auch bei architektonisch einzigartigen Neubauten wie dem Haus der Bayerischen Geschichte war eine Begrünung scheinbar nicht Teil der Planung.
Zu schön, um wahr zu sein?
Zahlreiche große, dichte Bäume gepaart mit Sitzgelegenheiten, auf denen man gemütlich sein Eis essen und mit Freunden entspannen kann, würden hier dem Stadtbild und den Menschen guttun – klingt zu schön, um wahr zu sein? Leider ja, denn laut Prof. Weber sind solche Maßnahmen gar nicht so leicht umzusetzen. Zum einen würden sich viele Anwohnerinnen und Anwohner dagegen wehren, dass ein großer schattenspendender Baum vor ihrer zum Teil bereits sehr dunklen Innenstadtwohnung gepflanzt wird. Zum anderen sei es nicht einfach, einen großen Baum, der riesige Wurzeln ausbildet, in den städtischen Boden zu setzen. Prof. Weber erläutert, dass eine Baumwurzel ungefähr die Größe der Krone annehmen kann. Das heißt, dass die Wurzeln mehrere Meter tief im Boden vergraben werden müssten. An dieser Stelle drängt sich der Vergleich auf, dass auch für die Straßenbahn tief gegraben worden wäre. „Für einen Baum muss man deutlich tiefer unter die Erde graben als für das Schienennetz“, ordnet Prof. Skornia ein. Er verweist zudem darauf, dass nicht unendlich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung stünden, die die Bepflanzung sowie anschließende Pflege übernehmen könnten.
Kein Baum wegen eingeschränkter Sichtachsen?
Ein weiterer zentraler Punkt in einer historischen Stadt wie Regensburg: der Denkmalschutz: „Wir haben insbesondere in der Altstadt und im UNESCO-Welterbe-Gebiet Vorschriften, wie das Stadtbild und die Flächen mit historischem Baumbestand gestaltet werden können. Satzungen schützen aber den Erhalt von Gärten und Freiflächen“, erläutert Meier. Trotzdem legt der Denkmalschutz etwa fest, dass in bestimmten Bereichen keine Grünflächen entstehen dürfen. Grund dafür sind beispielsweise gewisse Sichtachsen, die nicht „verbaut“ werden dürfen. „Hier ist die Sicht auf den Platz als Ganzes geschützt und ein Baum würde diese Sicht verändern“, erklärt Prof. Weber.
Ein weiteres Hindernis sind die unterirdischen Infrastrukturen, die gerade in der Altstadt verbaut sind. „Es gibt im Untergrund neben Bodendenkmälern beispielsweise Zisternen oder Parkgaragen und verschiedene Ver- und Entsorgungsinfrastrukturen für Wasser, Energie und Internet. Dies erschwert und verteuert oftmals eine Begrünung in der Altstadt“, gibt Schätz zu verstehen.
Dazu kommt noch die ohnehin bereits hohe „Flächenkonkurrenz“. „Am Ende läuft es häufig auf eine Frage hinaus wie: Verkehrsweg beziehungsweise Parkplatz versus zusätzlicher Baum oder Grünfläche“, so Prof. Weber. Ein mehrstöckiges Parkhaus mit Dachgarten und integriertem Café wäre an der Stelle vielleicht eine Überlegung wert.
An einigen Stellen verlaufen zudem Rettungswege, die freigehalten werden müssen. An bestimmten Plätzen, wie dem Neupfarrplatz, ist wiederum Marktbetrieb, der nicht behindert werden soll. „In unserer multifunktionalen Altstadt treffen verschiedene Nutzungen wie Wohnen, Arbeiten, Dienstleistung, Einzelhandel oder Freizeitangebote aufeinander und jede davon gehört berücksichtigt“, fasst Meier zusammen. Als Beispiel dafür, wie schwierig eine konkrete Umsetzung sein kann, nennt sie die Simadergasse. „Im Rahmen des Smart City Förderprojektes REGENSBURG_NEXT der Stadt Regensburg war eine Verbesserung der Situation in der Simadergasse geplant, da diese mit Vandalismus zu kämpfen hatte – von Graffiti bis hin zu Wildpinkeleien“, beschreibt sie. „Eine Idee aus dem Prozess des Labors der kreativen Köpfe war, die Gasse zu begrünen, Sitzmöbel aufzustellen und so die Aufenthaltsqualität zu steigern und zu erreichen, dass der Vandalismus abnimmt.“ Doch gleich zu Beginn des Prozesses sei herausgekommen, dass die Lösung nicht umsetzbar sei, weil die Gasse so nicht mehr von den Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr befahren werden könne. „So sind idyllische und grüne Lösungen leider aufgrund von Sicherheitsanforderungen nicht immer möglich“, zeigt sich Meier enttäuscht.
PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden?
Neben zusätzlichen Pflanzen und Bäumen am Boden gibt es allerdings auch die Möglichkeit einer vertikalen Begrünung sowie einer Begrünung der Dächer – ganz nach dem bereits genannten Vorbild von Städten wie Amsterdam. Hier geht es weniger darum, Schatten zu spenden, sondern das Mikroklima positiv zu beeinflussen. Doch auch in diesem Bereich kann der Denkmalschutz eine Fassaden-Begrünung verhindern. So sei eine vertikale Begrünung laut der Stadt Regensburg häufig nur in Teilen und in enger Abstimmung möglich.
Im Zuge eines nachhaltigen Baus würden heute in Deutschland jedoch vor allem Flachdächer gebaut werden, die zum einen begrünt und zum anderen mit einer PV-Anlage ausgestattet sind, beschreibt Prof. Skornia. Es scheint verwunderlich, doch in Sachen PV-Anlagen hat sich im Denkmalschutz bereits einiges getan. Wie Prof. Skornia erläutert, wurden Denkmalschutzbedingungen und Gesetze in diesem Bereich so verändert, dass man Dächer bereits bestehender Gebäude in der Regensburger Innenstadt heute mit sehr viel umfangreicheren PV-Anlagen ausstatten dürfe, als es früher der Fall war. „Ein zusätzlicher Vorteil der PV-Anlagen ist, dass diese Energie aufnehmen. Sie beschatten Gebäude und Flächen und führen Energie ab.“
„Dadurch, dass die Photovoltaikanlagen Sonne in Strom umwandeln und nicht (nur) in Wärme, wird eben auch ein Teil der eingestrahlten Energie als Strom abgeführt und führt so nicht zur Aufheizung des Dachs“, ergänzt Prof. Weber. In diesem Zuge macht er darauf aufmerksam, dass PV-Anlagen ebenso an den Hauswänden platziert werden könnten.
Welchen Einfluss haben Farben und Materialien?
Ein weiterer denkbarer Effekt ist es, die Gebäude mit einer helleren Farbe zu versehen. Diese Idee war laut Prof. Weber auch vor einiger Zeit in den USA ganz groß. Er berichtet, dass gerade in den sonnenreichen Staaten Dächer oder sogar Straßen zum Teil weiß gestrichen werden. Der Effekt sei zwar messbar, jedoch irrelevant, erläutert er. Anders sieht es mit einer gezielten Wahl von Materialien aus. „Diese haben eine ganz große Auswirkung“, betont auch Schätz. Und genau in diesem Bereich wurden mithilfe von Befliegungsdaten einer Thermalbefliegung (Anm. d. Red.: Hierbei fliegt ein Erkundungsflieger eine bestimmte Region ab, wobei die Ergebnisse Aufschluss darüber geben sollen, wo sich das Stadtgebiet an Hitzetagen besonders aufheizt und sich Hitzeinseln bilden) von August 2023 erste Datengrundlagen geschaffen, die Aufschluss darüber geben, welche Materialien am besten geeignet sind, indem sie weniger Wärme aufnehmen und speichern.
Prof. Weber ist der Ansicht, dass wir bezüglich der Materialien in Deutschland nicht schlecht aufgestellt seien. Hier ist jedoch nicht nur die Außenfassade relevant, da eine bessere Dämmung eine ebenso große Rolle spielt: „Wir haben lange Zeit gedacht, dass wir gedämmte Häuser bauen müssen, damit wir im Winter nicht so viel heizen müssen. Aber inzwischen hat sich ebenso der Effekt eingestellt, dass wir im Sommer auch nicht so schwitzen, weil die Hitze nicht reinkommt, sondern draußen bleibt. Im Altbau sieht das Ganze wieder schwieriger aus, Sanierungen sind kompliziert und teuer. Dort könne allenfalls energetisch saniert werden, so Prof. Skornia.
Trotz vieler Einschränkungen schlägt Prof. Skornia vor, das, was möglich ist, auszunutzen und über die Stadt verteilt Gebäude zu sanieren und verschiedene Plätze bewusst kühler zu halten, mit Bäumen, Brunnen und Trinkwassermöglichkeiten. „Da geht es tatsächlich um die psychische Komponente. Damit senke ich zwar nicht die Gesamttemperatur in der Stadt, aber die empfundenen Temperaturen“, so Prof. Skornia weiter. Man müsse hier zwischen Klimaschutz und Gesundheitsschutz unterscheiden. „Es gibt Maßnahmen, die man Klimaschutz-technisch nicht empfehlen würde, wie etwa Sprühvernebelung, aber in extremen Hotspots, wo die Gesundheit angegriffen ist, ist so etwas im Einzelfall denkbar.“
Bäume in transportierbaren Boxen in der Maximilianstraße
Klimaresiliente Stadtplanung: So soll der Aufenthalt in der Stadt jetzt angenehmer werden
Im Rahmen des Bundes-Förderprojekts KlaR (Klimaanpassung in Regensburg – Resilienz erfahrbar machen) beschäftigt sich auch die Stadt Regensburg damit, wie eine klimaresiliente Stadtplanung gelingen kann. Brunnen, Schatten-Oasen und kühle blaue Ecken sind Teil der Planung. Dieses Projekt wird vom Klimaresilienzmanagement in Zusammenarbeit mit dem Stadtplanungsamt und dem bifa Umweltinstitut über eine Laufzeit von drei Jahren durchgeführt.
„Bei jeder Sanierung von Straßen und Plätzen wird heute ein besonderes Augenmerk auf die Klimabelange gelegt und unter Abwägung aller Belange werden so viele Bäume wie möglich und an geeigneten Stellen auch Trinkwasserbrunnen geplant“, beschreibt Tanja Flemmig.
Umbau am Schwanenplatz: Hier scheiden sich die Geister
Wer bereits erste Umsetzungen dieser Pläne begutachten möchte, sollte bei seinem nächsten Stadtspaziergang den Schwanenplatz miteinplanen. Hier sind laut der Stadt einige der Prinzipien einer klimaresilienten Stadtplanung bereits umgesetzt worden. „Ein entsiegelter Bereich mit Rasen lässt Oberflächenwasser vor Ort versickern, ein Brunnen spendet lokale Abkühlung und ein vertikaler Weingarten ermöglicht neben den anderen Baumpflanzungen ein Verweilen im Schatten. Auch ein Wasserspender findet sich hier“, erläutert Tanja Flemmig. Wer sich nun jedoch eine Oase im Grünen vorstellt, mit Wiesen, Wildblumen und großen, schattigen Flächen, der wird enttäuscht sein. Betrachtet man den Platz, würde man diesen immer noch als Steinwüste wahrnehmen, mit ein paar schönen Elementen, die sicherlich ihre Wirkung entfalten. Doch fragt man sich an der Stelle: Wenn schon Bäume gesetzt werden konnten, warum wurden nicht gleich mehr eingeplant? „Den Schwanenplatz muss man vor dem Hintergrund betrachten, dass solche Planungsprozesse von der Idee bis zur Umsetzung leider etwas Zeit beanspruchen“, entgegnet Flemmig und ergänzt: „Zum Zeitpunkt der Planung war dieses Aufbrechen mit Grüninseln ein erster großer Schritt Richtung mehr Grün in der Altstadt, der damals nicht von allen positiv aufgenommen wurde.“ Heute würde man mit so viel Grün wie möglich planen. Für eine schnelle Umsetzung und um die Verträglichkeit, insbesondere mit dem Denkmalschutz, austesten zu können, würde verstärkt auch auf Pflanzkübel und mobiles Grün in der Altstadt gesetzt werden.
Auch das Thema Fassadenbegrünung spiele eine immer wichtigere Rolle. Seit 2021 würden im Rahmen laufender Planungen bei Bau- und Sanierungsvorhaben zusammen mit den Hauseigentümern gegebenenfalls überprüft, ob eine Begrünung möglich ist. „Aber auch wenn keine Straßensanierung ansteht, können sich Hauseigentümer an uns wenden, wenn sie ihre Fassade begrünen wollen“, so Flemmig.
Es wurden zudem im Rahmen des Regensburger Hitzemanagements 2021 zehn Schlüsselmaßnahmen entwickelt, die der Hitzebelastung entgegenwirken sollen, wie zum Beispiel der Ausbau des Netzes an öffentlichen Trinkwasserbrunnen, die Integration der Klimaresilienz in Strategien und Konzepten der Stadt Regensburg oder die Aufstellung eines Hitzeaktionsplans für die Regensburger Bevölkerung. Auch die neue Stadtklimaanalyse für Regensburg, die derzeit erstellt wird und die thermische Aufheizung mit berücksichtigt, gehört dazu.
Der neu gestaltete Schwanenplatz
Mehr schattige Sitzplätze für Regensburg?
Angesichts der steigenden Hitze wünschen sich viele neben schattenspendenden Bäumen auch mehr Sitzmöglichkeiten, um sich erholen zu können. Mit der Frage konfrontiert, ob weitere Bänke, auch speziell in Kombination mit schattenspendenden Bäumen geplant sind, antwortet die Stadt: „Im hochfrequentierten Bereich der Altstadt wurden im Rahmen des Möblierungskonzeptes Altstadt (2016 - 2022) circa 130 Bänke aufgestellt und Bäume gepflanzt. Aktuell wird im Rahmen von Neugestaltungen im Altstadtbereich der Bedarf an Mobiliar ermittelt sowie in Abwägung mit der stadträumlichen und funktionalen Eignung des Standortes so viel Begrünung wie möglich umgesetzt. Idealerweise werden natürlich Bänke in Kombination mit Bäumen geplant.“ Obwohl es ein Schritt in die richtige Richtung ist, bleibt zu hoffen, dass die Ermittlungen zur Folge haben, dass die Zahl von beschatteten Bänken weiter deutlich erhöht wird. Tanja Flemmig verweist an der Stelle darauf, dass das Möblierungskonzept durch die großzügigen Erweiterungsmöglichkeiten für Freisitze nach der Corona-Pandemie in Teilen aus Platzgründen nur schwer bzw. nicht mehr umsetzbar sei. Als Beispiel nennt sie die Nordseite der Dreieinigkeitskirche, wo geplante Bänke aus diesem Grund keinen Platz mehr gefunden hätten.
So können sich Bürgerinnen und Bürger beteiligen
Einige konkrete Projekte seitens der Stadt Regensburg stehen bereits in den Startlöchern. Das Förderprojekt der Stadt Regensburg KlaR beschäftigt sich etwa damit, ganze Plätze temporär umzugestalten. „Es geht um die Entwicklung sogenannter Prototypen auf den Plätzen Alter Kornmarkt und Augustinerplatz. Dazu wurden in einer ersten Phase Grundlagenanalysen angefertigt“, erklärt Katharina Schätz. Diese beinhalten eine Thermalbefliegung für Regensburg, eine Denkmalschutzanalyse, eine Mikroklimaanalyse und zuletzt eine Potenzialanalyse, die wesentliche Erkenntnisse zusammenfassend ableitet und weiterdenkt.
In den nächsten Monaten wird es dazu zahlreiche Formate zum Mitmachen geben, wie etwa die Bürgerumfrage, die seit dem 24.06.2024 online geschaltet ist (www.s2survey.net/KlaR). Am 20.07. findet außerdem die Sommerwerkstatt von 11:00 bis 16:00 Uhr auf dem Alten Kornmarkt statt sowie Schüler- und Platzwerkstätten. „Es werden Ideen gesammelt, wie man die Plätze klimaresilient gestalten könnte. Im nächsten Jahr werden auf Basis dieser Erkenntnisse Prototypen, das heißt temporäre Klimaresilienzobjekte, entwickelt, die auf den Plätzen installiert werden und somit für die Bevölkerung erfahrbar sind“, so Schätz. Im Auswahlprozess werden unter anderem Best Practice-Beispiele, Ideen aus den Beteiligungsformaten und die Ergebnisse aus den Analysen berücksichtigt und auf ihre Machbarkeit geprüft. Von der Stadt aus gibt es immer wieder die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger sich beteiligen können, vor Ort und auch online. Über die Projekthomepage können diese den Link zur Umfrage besuchen, die Termine für die Platzwerkstätten einsehen und so ihre Ideen kundtun.
Start der Projekte
Neben diesen Projekten steht die Umgestaltung einiger Bereiche bereits fest. So wird 2027 die Schäffnerstraße neu gestaltet. „Im Rahmen dessen werden Baumpflanzungen, zwei Pflanzbeete, ein Wasserspender sowie Bereiche mit wasserdurchlässigen Fugen umgesetzt. 2028 sollen die Obermünsterstraße und der Obermünsterplatz folgen“, erklärt Tanja Flemmig. Hier werde es ein eigenes Konzept zum Umgang mit Wasser (Schwammstadt), Fassadenbegrünungen, Baumpflanzungen, entsiegelte Bereiche und viel Aufenthaltsqualität am neuen Wasserspiel geben.
Als Vorbilder sieht die Stadt Regensburg Städte wie Paris oder Barcelona. Doch warum gerade diese Großstädte? Beim Thema Verkehrsberuhigung und der Schaffung von Aufenthaltsqualität in Superblocks zeigt man sich dort besonders experimentierfreudig“, so Flemmig. Superblocks sind ein städteplanerisches Konzept, das den Autoverkehr in bestimmten Stadtbereichen stark einschränkt und dadurch Raum für Fußgänger, Radfahrer und öffentliche Nutzung schafft. Dazu gehört die Schaffung von Grünflächen, aber auch lokale Geschäfte, Cafés oder Dienstleister können sich dort ansiedeln.
Plätze zielgerichtet umgestalten
Nachdem nun mögliche Maßnahmen für eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität besprochen wurden, bleibt die Frage, welche davon das Mikroklima tatsächlich beeinflussen. Im Bundesprojekt KlaR konnten erste relevante Daten für das Stadtgebiet erhoben werden. Durch Mikroklimasimulationen sollen dann die Effekte der entwickelten Prototypen getestet und ihre Wirkung herausgestellt werden. Im Projekt Resiliente Stadt als Teil der Förderkulisse R_NEXT wird man daran ansetzen und noch weitere Situationen im Stadtgebiet erfassen. In diesem interdisziplinären Projekt arbeiten Personen aus unterschiedlichen Fachbereichen eng zusammen. Die IT, das Amt für Stadtentwicklung, insbesondere der Geodatenservice und federführend das Klimaresilienzmanagement der Stabsstelle Klimaschutz und Klimaresilienz.
Was bringt der Play Fountain am Neupfarrplatz in Regensburg?
Es werden Messungen durchgeführt, um herauszufinden, welche Maßnahmen tatsächlich wirksam sind. „Uns ist es wichtig, innovative, nutzbare Lösungen zu erarbeiten, die übertragbar sind und auch von anderen Kommunen eingesetzt werden können“, so Meier. Ein Beispiel, an dem die Stadt Regensburg in diesem Jahr auch Messungen durchführen wird, ist die Play Fountain, die auch dieses Jahr wieder am Neupfarrplatz sprudeln wird. „Im Rahmen unserer R_NEXT Maßnahme Resiliente Stadt messen wir heuer mit verschiedenen Sensoren um die Play Fountain herum, um herauszufinden, ob sie positive Folgen für das Mikroklima und somit die Aufenthaltsqualität bringt. Es werden verschiedene Parameter wie beispielsweise die Lufttemperatur, die relative Feuchte oder Windgeschwindigkeit gemessen“, beschreibt Smart-City-Koordinatorin Franziska Meier. Zusätzlich soll die Passantenfrequenz erhoben werden, um festzustellen, ob sich die Menschen tatsächlich länger am Neupfarrplatz aufhalten. „Diese Datengrundlagen dienen wiederum für der Stadtplanung, um die Plätze zielgerichtet umgestalten zu können“, erläutert Meier.
Keinen Effekt auf den Klimaschutz?
Doch wer sich nun von einer weitläufigen Begrünung oder zusätzlichen Wasserflächen einen allgemeinen Effekt auf den Klimaschutz oder das 1,5-Grad-Ziel erhofft, wird an dieser Stelle enttäuscht. Prof. Weber macht es ganz deutlich: „Zusätzliche Blau- oder Grünflächen können gut für das Mikroklima sein und verbessern die Aufenthaltsqualität, auf das allgemeine Weltklima haben solche Maßnahmen allerdings keinen Einfluss. Sogar wenn in allen Städten der Welt die Menschen anfangen würden, alles zu begrünen und Bäche und Seen geschaffen würden, hätte es keinen Einfluss. „Dafür bräuchten Sie zum Beispiel den Pazifik noch einmal“, verdeutlicht er.
Im Falle von Grünflächen verhält es sich ähnlich: „Man kann das Gewicht eines Baumes grob in CO2 umrechnen und ein einzelner Baum ist einfach nicht viel. Ein Einfluss entsteht erst dann, wenn wir von einem Wald sprechen und somit von zehntausenden Bäumen. Und sogar diese Auswirkung wäre im Verhältnis nicht groß genug, wenn wir weiterhin fossile Energien nutzen“, so Prof. Skornia. „Ich muss regenerative Energien in großem Umfang nutzbar machen, die müssen günstig sein. Ich muss sie transportieren und speichern können. Und wahrscheinlich müssen wir uns sogar überlegen, wie wir CO2 der Atmosphäre wieder entnehmen. Das, worüber wir jetzt sprechen, ist wichtig für das Leben der Menschen in der Stadt, aber es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zum Weltklima“, erörtert Prof. Skornia.
Gelingt der Wandel vom Hitzekessel zur Grünen Oase?
So wunderschön unsere historische Domstadt auch ist, so sehr wünschen sich die meisten mehr Wohlfühlzonen, in denen sie sich im Sommer gut geschützt im Schatten aufhalten können. Es gibt viele gute Ansätze, wie das gelingen kann, Bürger können ihre Ideen einbringen – und doch entsteht der Eindruck, dass viel geplant, aber (noch) nicht genug umgesetzt wird. Lange Planungsprozesse, komplexe Regelungen und langsame Genehmigungsverfahren scheinen eine zeitnahe Umsetzung zu erschweren.
Vom Hitzekessel zur Grünen Oase? Dahin ist es wohl noch ein langer Weg, doch wir sind gespannt auf die Projekte, die die Stadt zukünftig realisieren wird. Und wer weiß, vielleicht kommen auch neue kreative Ansätze von den Bürgerinnen und Bürgern selbst. Innovation ist schließlich immer positiv, oder?!
Marina Triebswetter | filterVERLAG