Goethe mied sie wie den Teufel selbst – Kranke und Aussätzige. Sogar seine Frau Christiane ließ er aus Angst sich anzustecken ohne seine Anwesenheit im Sterbebett dahinsiechen. Was dabei die Wenigsten wissen: Der Archetypus des deutschen Dichters und Denkers überlebte sowohl den weißen Tod, Tuberkulose, als auch die echten Pocken. Und damit auch jene Krankheit, die als zehnte biblische Plage nicht nur Eingang in die Geschichte der Menschheit fand, sondern vor ihrer Ausrottung Abermillionen von Menschenleben verschlang. In unserer Serie „Pest oder Cholera“ stellen wir Ihnen die Begleiter des vierten apokalyptischen Reiters vor: Krankheit und Seuchen – die Geißeln der Menschheit.
Seit die Menschheit sesshaft wurde, geißeln sie die Zivilisation: Seuchen und Krankheiten führten in mancher Epoche zu einer Sterblichkeitsrate, die sogar die beiden großen Weltkriege blass aussehen lassen. Infektionskrankheiten wie Pocken, Pest und Spanische Grippe waren in der Lage für Millionen von Toten binnen weniger Jahre zu sorgen. Doch auch Kinderkrankheiten wie Diphterie, Masern und Keuchhusten rafften pro Jahr mehrere zehntausend Kinder allein auf deutschem Boden dahin.
Das Auftauchen des Coronavirus SARS-CoV-2 hat die Krone der Schöpfung nicht nur auf seine grundsätzliche Verletzbarkeit zurückgeworfen, vielmehr schafft das Fehlen eines wirksamen Medikaments oder Impfstoffs gegen COVID-19 ähnliche Verhältnisse, wie sie noch vor über 100 Jahren herrschten, als sich Infektionserkrankungen ungehindert durch die Bevölkerung seuchen konnten.
Wir haben ein Lexikon der am meisten gefürchteten Infektionskrankheiten in der Geschichte der Menschheit zusammengestellt. All diese Seuchen sollten uns nicht nur daran erinnern, was die ungehinderte Verbreitung eines neuen Virus anrichten kann, sondern auch vor Augen führen, von welchem Wert Impfungen für die moderne Zivilisation sind.
AIDS - Chagas - Cholera - Dengue-Fieber - Diphtherie - Ebola - Fleckfieber - Keuchhusten (Pertussis) - Kinderlähmung (Poliomyelitis) - Lepra (Aussatz) - Lues (Syphilis) - Malaria - Masern - Pest - Pocken - Rabies (Tollwut) - Spanische Grippe (Influenza-A-Virus H1N1) - Tuberkulose - Typhus - Wundstarrkrampf (Tetanus)
AIDS
Kurz nach seiner ersten Beschreibung im Jahr 1981 wurde das Immunschwächesyndrom (Acquired Immune Defiency Syndrom, kurz AIDS) in der amerikanischen Presse als „Gay Related Immun Deficiency“ bezeichnet. In der Gesellschaft wurde sogar von „Schwulenkrebs“ gesprochen. Eine Infektion mit dem HI-Virus galt deswegen über lange Zeit nicht nur als Todesurteil, sondern auch als sozialer Ruin, bei dem Infizierte wie Aussätzige behandelt wurden. Bei der Diffamierung der AIDS-Kranken spielte auch die US-amerikanische Seuchenbehörde „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) eine große Rolle. Bevor das Krankheitsbild offiziell AIDS getauft wurde, kreierte das CDC den Namen „the 4H disease“. Diese Bezeichnung bezog sich auf die vier Hauptbetroffenengruppen: Haitianer, Homosexuelle, Hämophile (Bluter) und Heroinsüchtige. Woher das erst im Jahr 1983 isolierte Virus stammt, ist bis heute nicht vollständig gesichert. Dem neuesten Stand der Wissenschaft zufolge sprang wohl ein beim Affen vorkommendes Immundefizienz-Virus während der Kolonisierung Afrikas zwischen 1884 und 1924 in Form einer klassischen Zoonose auf den Menschen über. Die erste dokumentierte HIV-Infektion wurde 1959 in Zaire festgestellt. Nach der Einschleppung des Virus über Haiti in die USA hat es sich über den gesamten Globus verbreitet. Bis heute hat das HI-Virus circa 30 Millionen Menschenleben gefordert.
Verlauf
Eine Infektion mit dem HI-Virus führt über die Jahre hinweg zur Zerstörung des Immunsystems und infolge dessen zum Ausbruch von AIDS. Mit Fortschreiten der Krankheit erhöht sich auch die Infektanfälligkeit des Infizierten. Sich häufende Infektionen, Entzündungen und daraufhin einsetzende Lähmungen führen zum Tod der Patienten.
Letalität
Ohne Medikation versterben nahezu 100 Prozent binnen 20 Jahren. Mit frühzeitiger, effektiver Medikation wird ein Ausbruch der Krankheit verhindert. Medikation Durch die Gabe von spezifischen antiviralen Medikamenten ist es heute möglich, die Zahl der vorhandenen HI-Viren im Körper eines Infizierten so zu reduzieren, dass ein quasi-normales Leben ohne Ausbruch von AIDS möglich ist. Ein Heilmittel gegen AIDS existiert allerdings nicht.
Verbreitung
HIV ist mit 37 Millionen Infizierten international verbreitet, am stärksten ist Afrika betroffen. 2018 sind 77.000 Menschen auf dem Globus an AIDS verstorben.