Nach dem offenen Brief von Frau Irmgard Freihoffer vom Bündnis Sahra Wagenknecht, in dem sie Dipl.-Ing. (FH) H. E. Deckart für seine Vorbehalte gegenüber an der Stadtbahn kritisierte, äußert sich dieser nun zu den Punkten, die seiner Meinung nach die Stadtbahn für Regensburg untragbar machen - Kosten/Nutzen und Bauzeit.
Nach einer Infoveranstaltung der CSU-Stadtratsfraktion zum Thema Stadtbahn am vergangenen Dienstag richtete sich Irmgard Freihoffer in ihrer Funktion als Mitglied des Bündnisses Sahra Wagenknecht in einem offenen Brief an Dipl.-Ing. (FH) H. E. Deckart, Eisenbahnsachverständiger und Kathrin Fuchshuber, Sprecherin der Stadtratsfraktion der CSU im Ausschuss für den Neubau einer Stadtbahn, um deren Kritik an der Stadtbahn zu beanstanden.
Nachdem Kathrin Fuchshuber bereits gestern zu dieser Kritik Stellung nahm, reagiert nun auch Dipl.-Ing. (FH) Heinz Eberhard Deckart auf die Vorwürfe. Dipl.-Ing. (FH) Heinz-Eberhard Deckart ist Sachverständiger für Eisenbahn-Oberbau und -Infrastruktur und war bis vor einigen Jahren im Eisenbahnbundesamt beschäftigt. Er hat daher langjährige Erfahrung im Bau von Straßenbahnen und sieht eine Stadtbahn in Regensburg als kaum finanzierbar.
Hier seine Stellungnahme auf den Brief von Frau Irmgard Freihoffer:
Replik zu Ihrem offenen Brief vom 04.06.2024 zu meiner Kritik am geplanten Neubau einer Stadtbahn
Sehr geehrte Frau Freihoffer,
leider kam ich erst gestern aus dem Urlaub zurück und möchte jetzt, da der Abstimmungs-termin naht, nur in aller Kürze antworten.
Natürlich habe ich mich bereits intensivst mit allen einschlägigen Stadtratsvorlagen und Planungen auseinandergesetzt und mich darüber hinaus in meinem Bahn-Netzwerk mit Kollegen über die derzeitigen Planungen ausgetauscht.
Dies hat meinen Standpunkt bestätigt: Straßenbahnen sind sinnvoll, aber nicht für Regensburg!
Zu 1 KostenDie Investitionskosten wurden in den Vorlagen der Stadtratssitzung vom März 2024 (endlich) nachvollziehbar und korrekt dargestellt. Die Finanzierung der Investitionskosten wird aber wohl nicht ganz einfach werden. In den Stadtratssitzungen im März 2024 wurde nur über die Finanzierung der Investitionskosten gesprochen. Jedoch wird in der Standardisierten Bewertung 2016+ auch eine Folgekostenrechnung gefordert. Damit soll den öffentlichen Entscheidungsträgern für den Fall der Realisierung des Investitionsvorhabens die betriebswirtschaftlichen Folgekosten aufgezeigt werden.
„Nur wenn die zuständigen Aufgabenträger zu dem Schluss kommen, dass sie die mit einem Vorhaben verbundenen Folgekosten über einen längeren Zeitraum finanzieren können, sind die langlaufenden Investitionen des Vorhabens auch gesamtwirtschaftlich gerechtfertigt. Die Folgekostenrechnung ist somit Bestandteil einer Standardisierten Bewertung.“ (Standardisierte Bewertung, Seite 173)
Eine Folgekostenrechnung ist aber, wie im NKU-Bericht2024 explizit erwähnt, nicht durchgeführt worden. Aus den öffentlich zugänglichen Unterlagen kann die von der Stadt vor 14 Tagen aus dem Hut gezauberte Vergleichsrechnung der Stadtverwaltung hinsichtlich des Ohnefalls (nur Busse) nicht nachvollzogen werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, ob die Regeln der Standardisierten Bewertung 2026+ eingehalten wurden und welche Parameter der Berechnung zugrunde liegen oder ob hier schöngerechnet wurde. In der Machbarkeitsstudie von 2018 werden die jährlichen Mehrkosten im Mitfall Tram noch mit rund 6 Mio. € beziffert.
Zu 2: Veränderung des Modal Split
Es ist erstaunlich, dass auch Sie Zahlen aus der Machbarkeitsstudie anzweifeln, gerade was den Modal Split angeht. Die Zuwächse beim ÖPNV scheinen Sie zu akzeptieren, die geringe Verlagerung des MIV versuchen Sie zu bagatellisieren, indem Sie auf andere Städte verweisen.
In der Machbarkeitsstudie von 2018 lag die Verminderung des MIV
- im innerstädtischen Binnenverkehr bei 1,1%
- im Quell-Zielverkehr (Pendler) bei 0,5%
- im innerstädtischen Binnenverkehr bei 0,8%
- im Quell-Zielverkehr (Pendler) bei 0,7%
Das ist der derzeitige Wissensstand. Was nach 2035 passieren wird, entzieht sich meiner und wahrscheinlich auch Ihrer Kenntnis. Der Rest ist politisches Wunschdenken.
Sie schreiben, dass allein im Binnenverkehr 9900 Fahrten eingespart werden. Wenn man die Zahlen aus der NKU 24 betrachtet, sind es nur 2789 Fahrten, die hier eingespart werden.
Fahrgäste/Wege pro Tag
Ohnefall | Anzahl | Differenz | Anzahl | Mitfall | |
ÖPNV | 11,8% | 64.000 | 11.400 | 75.400 | 13,8% |
PKW-Lenker | 39,5% | 214.237 | 2.789 | 211.448 | 38,7% |
Quelle: NKU 2024, Tabelle 8 und Abbildung 13
Hinsichtlich des stückerlweisen Baus einer Straßenbahnbahn so in 100 – 200 m-Längen muss ich Ihnen als ehemaliger Geschäftsführer eines Ingenieurbüros für Gleistechnik, das auch im In- und Ausland an verschiedenen Straßenbahnprojekten mitgewirkt hat und als Sachverständiger für Eisenbahninfrastruktur, der zahlreiche Gutachten zu Straßenbahnen geschrieben hat, entschieden widersprechen. Das wird aus wirtschaftlichen Gründen immer nur straßenzugweise gemacht und dazu müssen nicht nur Gleise verlegt, sondern dazu müssen vorher auch noch die längs unter der Trasse liegenden Sparten (Gas-, Wasser- Elektro- und Kommunikationsleitungen, ev. auch Kanäle) verlegt werden. So mal 100-200 m Gleis verlegen gibt es nicht. Da gehören ja schließlich auch der Bau der Verkehrswege für die übrigen Verkehrsteilnehmer (Rad, Fuß, MIV) und die Neugestaltung des Straßenraums von Hauskante zu Hauskante dazu.Es erwarten uns also mehrere Jahre Bauzeit. Wenn es schnell geht und an mehreren Stellen gleichzeitig angefangen wird, dauert das, sehr optimistisch gesehen, mindestens 6 Jahre.
Dipl.- Ing. (FH) H. E. Deckart | RNRed