Aus unserer Reihe über die Partnerstädte Regensburgs: An der schönen blauen Donau liegt Budavár, das historische Herzstück Budapests und der erste Distrikt der ungarischen Hauptstadt. An diesem Ort fließen mehr als 1.000 Jahre ungarische Geschichte zusammen.
1.000 Jahre Geschichte lassen Besucher einen Blick in die Vergangenheit erhaschen. Seit 2005 ist Regensburg die Partnerstadt Budavárs, jedoch reicht die Geschichte bayrisch-ungarischer Kooperation schon Hunderte von Jahren zurück, nicht zuletzt auch wegen jenes Flusses, der durch beide Städte fließt. Im vierten Teil unserer Serie über die Regensburger Partnerstädte schauen wir uns das Zentrum des „Paris des Ostens“, wie Budapest auch genannt wird, genauer an. Eine Stadt mit Charakter und voller Geschichten im Zentrum eines Landes, das auf eine bewegte Vergangenheit zurückschauen kann und Einflüsse aus allen Teilen Europas in sich vereint. Nicht grundlos wurde Budavár, ähnlich wie die Regensburger Altstadt, zum Weltkulturerbe ernannt.
Bisher in der Partnerstädtereihe erschienen sind:
Der ungarische König und die deutsche Prinzessin
Der früheste und vielleicht auch bedeutendste Moment zwischen Ungarn und Bayern war die Heirat Giselas von Bayern, die Tochter des römisch-deutschen Kaisers, mit dem ungarischen König Stephan I. im Jahre 995. Bayrische Hauptstadt war damals Regensburg, das zu jener Zeit auch Sitz des Kaisers, der auch Herzog von Bayern war, gewesen war. Gisela und Stephan wurden zu den Nationaleltern Ungarns: Unter ihrer Herrschaft wurde das Land christianisiert und in die damalige Staatengemeinschaft eingegliedert. So schaffte Ungarn, durch die beiden den Sprung von einem isolierten, heidnischen Land zu einer regionalen christlichen Vormacht. Noch heute ist Stephan I. Ungarns Nationalheiliger schlechthin und Giselas Grabstätte im Kloster Niedernburg ein Pilgerort für viele Ungaren. Auch das Giselakreuz, ein beeindruckendes Werk mittelalterlicher Goldschmiedekunst, stiftete die Königin damals an das Regensburger Grab ihrer Mutter. Heutzutage ist es in der Schatzkammer der Münchner Residenz zu finden.
Vom Berg zum Königssitz
Zum royalen Zentrum Ungarns wurde aber Budavár erst im 13. Jahrhundert, nachdem die Mongolen das Land verwüstet hatten. Es begann der langsame Wiederaufbau Ungarns unter König Bela IV. Dieser wollte die Festungen im Land weiter ausbauen, um zukünftigen Invasionen der Mongolen abzuwehren und entschied sich, einen Inselberg an der Donau als neue Königsresidenz zu nutzen. So wurde die Burg Buda gegründet, die im Laufe der Zeit erst zur Stadt Buda anwuchs und später 1873 mit Pest und Óbuda zu Budapest vereint wurde. Heute ist der prächtige Palast von König Bela als höchstgelegenes Gebäude in der Stadt von überall in Budapest zu sehen. Der Kern Budavárs rund um die Burg, ist das Burgviertel oder - wie es auf Ungarisch heißt – Vár. Viele der atemberaubenden und geschichtsträchtigen Gebäude sind hier zu finden. Im Laufe der Geschichte wurden zweimal weite Teile des Burgviertels fast vollständig zerstört: Das erste Mal war während der Türkenkriege gegen das Osmanische Reich, woraufhin das Burgviertel im 17. und 18. Jahrhundert im barocken Stil wiederaufgebaut wurde. Das zweite Mal lag das Burgviertel nach dem zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche. Hier fand man beim Wiederaufbau viele archäologische Kuriositäten, wie zum Beispiel mittelalterliche Grundmauern unter den Häusern.
Eine Geschichte von zwei Städten
Seit 2005 gehen Budavár und Regensburg gemeinsame Wege: Damals wurde der Partnerschaftsvertrag in der ungarischen wissenschaftlichen Akademie unterschrieben. Die Unterzeichnung des Vertrages durch die beiden Bürgermeister wird sich 2025 zum 20. Mal jähren. Die Städtepartnerschaft an sich war auch ein kleines Jubiläum, denn es handelte sich um die 1.000. Städtepartnerschaft einer bayrischen Kommune überhaupt. Seitdem haben die beiden Städte ihre Beziehungen immer weiter ausgebaut, so pflegt zum Beispiel das Goethe-Gymnasium Regensburg einen Schüleraustausch mit dem Kosztolányi Dezsö Gymnasium in Budavár. Oder auch die bekannten Regensburger Domspatzen, die mit der Zoltán-Kodály Musikschule einen gemeinsamen Austausch und Konzerte in beiden Städten organisieren. So soll das Leben beider Städte in Bereichen wie Kultur, Bildung oder Wirtschaft zusammen ausgebaut werden.
Die Seele der Magyaren
Ähnlich wie Regensburg mit seinen mittelalterlichen Plätzen und Klöstern strotzt Budavár nur so vor Sehenswürdigkeiten. Ein Highlight ist der Dreifaltigkeitsplatz, der zentralen Platz des Burgviertels. Dort fällt einem sofort die Matthiaskirche auf, eine katholische Kirche mit einem imposanten fünfstöckigen Turm, der auf den König Matthias Corvinus zurückgeht. Der Monarch ließ die Kirche um den Turm und das königliche Oratorium erweitern. Unterstützt wurde das Unterfangen von italienischen Renaissance-Künstlern, die der König ins Land holen ließ. Matthias selbst hat es sich nicht nehmen lassen, in der frisch renovierten und verzierten Kirche beide seiner Hochzeiten abzuhalten. Aber aus Dank an den spendablen Herrscher spricht man heute immer noch von der Matthiaskirche - auch wenn der offizielle Name der Kirche eigentlich Liebfrauenkirche ist. Unweit der Kirche steht ein weiteres Gebäude, das durch seine auffallend skurrilen Türme besticht: Die Fischerbastei. Gebaut wurde sie im späten 19. Jahrhundert an der Stelle des mittelalterlichen Fischmarktes zu Ehren einer Fischergilde. Diese hatte nämlich im Mittelalter die Aufgabe, diesen Teil der Stadtmauer zu verteidigen. Und die spitzzulaufenden weißen Türme? Sie sollen die Zelte der Magyaren imitieren, jenen Steppenvolkes, aus dem die heutigen Ungaren hervorgegangen sind. Apropos Magyaren, eine weiter Anspielung an die Ahnen der Ungaren ist auf dem Dreifaltigkeitsplatz zu finden: Eine Statue des sogenannten Turul. Dieses Sagentier, das sowohl Adler als auch Falke ist, soll laut einer Sage die Stammmutter der ersten ungarischen Könige im Schlaf geschwängert haben und ihr im Traum die Wichtigkeit ihrer Nachfahren prophezeit haben.
Wo Geschichte auf Politik trifft
Nicht alle dieser Gebäude haben jedoch die Tage ihrer politischen Relevanz hinter sich. Der Palais Sándor ist eine klassizistische Adelsresidenz, die ursprünglich für einen Fürsten aus dem Hause des gleichnamigen Geschlechts gebaut wurde. Nachdem die prachtvolle Residenz mehrere Male über die Jahrhunderte die Besitzer wechselte, von Adeligen bis hinzu Politikern, ist sie seit 2003 der Sitz des ungarischen Staatspräsidenten. Interessanterweise muss man nicht weit gehen, um den Amtssitz seines Kollegen zu finden. In dem benachbarten ehemaligen Karmeliterkloster befindet sich nämlich der Sitz des Ministerpräsidenten Ungarns – aktuell der streitbare und medial-allgegenwärtige Viktor Orbán. Das Gebäude selbst war aber nicht nur Kloster der Karmeliten, es wurde auch als Theater unter den Habsburgern genutzt, war im Mittelalter ein Franziskanerkloster und während der osmanischen Besatzung Sitz des türkischen Paschas.
Berg zwischen Himmel und Hölle
Im Süden Budavárs thront der Gellértberg über der Stadt, der mit seinen Thermen, Denkmälern und einer Höhle auch alles andere als ordinär ist. Schon der Name hat Charakter, denn der Berg wurde nach dem heiligen Gellért benannt - einem Bischof, der eines ungewöhnlichen Märtyrertods starb. Bei einem heidnischen Aufstand im 11. Jahrhundert wurde dieser laut der Legende in ein mit Nägeln gespicktes Fass gesperrt und den Berg heruntergerollt, um anschließend in der Donau zu ertrinken. Heutzutage ist er der Schutzpatron Budapests und wacht über die Stadt, in der er sein Ende fand. Aber nicht nur Heilige haben ihren Sitz auf dem Berg: Mit der Ansiedlung deutscher Siedler in Buda und dem benachbarten Pest, erhielt der Berg einen anderen Namen, Blocksberg. Die Menschen der frühen Neuzeit glaubten, dass der Berg Treffpunkt von Hexen war, die aus allen Gegenden des Landes kommen würden, um dort ihre dunklen Rituale durchzuführen. Mit den Schwefeldämpfen der Thermalquellen und der großen Höhle im Berginneren fällt es leicht, sich vorzustellen, dass manch einer damals an den Hexenspuk glaubte.
Weiter auf dem Gipfel des Berges steht die Freiheitsstatue, ein Denkmal das an die Befreiung Ungarns durch die Rote Armee erinnern soll. Im zweiten Weltkrieg war Ungarn erst Verbündeter des Deutschen Reichs – nur, um im Jahre 1944 zum Opfer der deutschen Expansionspolitik zu werden. Ein Jahr später wurde Budapest vom deutschen Joch befreit. Aber auch hier würde die Unabhängigkeit nicht lange weilen, da es kurz darauf zum Satellitenstaat der Sowjetunion wurde.
Sommer, Sonne, Donau
An der Donau-Seite Budavárs liegt die sogenannte Víziváros, zu Deutsch „Wasserstadt“. Dort dreht sich alles um die blaue Lebensader der Stadt, sei es die Donau-Touren für Touristen oder die Sehenswürdigkeiten wie der Burggarten-Basar und die Kettenbrücke. Dabei ist Letztere eines der großen Wahrzeichen der Stadt: Bei szenischen Bildern aus Budapest stehen die Chancen hoch, dass es sich entweder um die Burg Buda, das Parlament oder die Kettenbrücke handelt. Die bekannteste und älteste der neun Budapester Stadtbrücken wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts fertiggestellt. Beauftragt wurde sie vom ungarischen Staatsmann und Reformer Graf István Széchenyi, dessen Name sie heute offiziell trägt. Wer Lust auf schöne Gartenanlagen in Donau-Nähe hat, sollte den Burggarten-Basar einen Besuch abstatten. Die Anlage wurde nach ihrer Errichtung im 19. Jahrhundert immer mehr dem Verfall überlassen bis man sie 1984 sperrte. 2011 beschloss man die Renovierung des Várkert Bazár - wie der Burggarten- Basar in der Landessprache genannt wird. Heute lädt die Gartenanlage mit ihren verzierten Fassaden und üppigen Gärten zum Schlendern bei sonnigem Wetter ein.
Viszlát!
Am Ende ergibt sie Sinn – die Partnerschaft zwischen Regensburg und Budavár. So viele Gemeinsamkeiten sind kaum zu übersehen: die reiche Geschichte, einen wunderschön erhaltenen Stadtkern oder viele Gässchen mit kleinen Überraschungen. Sie verbindet eine gemeinsame Vergangenheit und hoffentlich auch eine gemeinsame Zukunft, getragen durch kulturelle und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Auch wenn die offizielle Partnerschaft recht jung ist, sind die beiden Städte doch schon immer Geschwister am Donau-Ufer gewesen. Neben Budavár gibt es aber noch weitere Städte, zu denen Regensburg eine Städtepartnerschaft pflegt, jede mit ihren ganz eigenen Geschichten und Verbindungen zu Regensburg – die nächste stellen wir im Mai vor.
Lennart Kreppel / RNRed