Sechs Spielzeiten in Folge, teilweise sogar mit äußerst attraktivem Fußball, bereicherte der SSV Jahn die 2. Bundesliga. Doch nun steht der Verein vor einem Neuanfang in der 3. Liga, der rückblickend bereits zu erahnen war. Wie es dazu kam, welche Ereignisse dabei besonders hervorstechen und was Hoffnung für die Zukunft macht, lesen Sie in unserer Saisonrückschau.
Der SSV Jahn Regensburg muss nach sechs Spielzeiten in Deutschlands zweithöchster Spielklasse wieder den Gang in die 3. Liga antreten. Nach einer Saison voller Verletzungspech, magerer Torausbeute und Trainerdiskussionen war der Abstieg am Ende zwar ohne Frage durch eigenes Versagen bedingt und deshalb verdient, aber letztlich auch eine Verkettung unglücklicher Umstände. Doch der Reihe nach.
Trotz des kleinsten Etats der Liga konnte der Jahn auch in den Spielzeiten 20/21 sowie 21/22 unter der Leitung von Mersad Selimbegovic ohne große Abstiegssorgen auf Platz 14 und 15 die Klasse halten. Doch selbst ohne genaueres Hinsehen war bereits hier eine negative Entwicklung erkennbar. Denn neben der hohen Fluktuation im Kader ging dem Verein bereits relativ früh in der Saison die Puste aus. Nach der sensationellen Hinrunde 2021 konnten in der folgenden Rückrunde gar nur noch zwei Siege errungen werden. Da auch eine spielerische Entwicklung kaum mehr zu erkennen war, wurde Trainer Selimbegovic nach der Saison von Teilen der Fans durchaus infrage gestellt. Die Vereinsführung entschied sich jedoch dafür, mit dem 41-jährigen Übungsleiter in die neue Saison zu gehen, mit dem Saisonziel, den erneuten Klassenerhalt so schnell wie möglich unter Dach und Fach zu bringen.
Das Gegenteil war jedoch beim Regensburger Kader der Fall. Fast die halbe Stammelf schloss sich einem neuen Verein an. Dementsprechend ereignisreich gestaltete sich der Transfersommer beim Jahn. Und auch wenn durchaus ein paar vielversprechende Neuzugänge wie Prince Osei Owusu oder Dejan Stojanovic den Weg in die Domstadt fanden, stand am Ende ein relativ unerfahrener Kader, der zudem erneut aus zahlreichen Leihspielern (8) bestand. Außerdem wurde es trotz ausbleibender adäquater Verstärkungen verpasst, die gebliebenen Spieler mit Verträgen für die 3. Liga auszustatten und so für den Fall der Fälle gewappnet zu sein. Ein Versäumnis, das sich die damals zuständige Vereinsführung unter Hans Rothammer vorwerfen lassen muss.
Starker Saisonstart
Trainer Mersad Selimbegovic zeigte sich zu Beginn der Saison trotzdem optimistisch, aus seiner neuen Truppe wieder ein zweitligataugliches Team formen zu können. Zu Beginn der Saison sollte sich dieser Optimismus auch bewahrheiten, denn der Jahn startete fast schon traditionell stark in die neue Spielzeit. Neben dem emotionalen Weiterkommen im DFB-Pokal gegen Bundesligist Köln grüßte der Jahn zwei Spieltage lang sogar vom „Platz an der Sonne“. Selimbegovic musste schier auf die Euphoriebremse treten und mahnte, nicht zu „denken, dass es von alleine so weiterlaufen wird“.
Erste Krise
Seine Befürchtungen sollten sich bewahrheiten: Einem deutlichen 0:6 daheim gegen den Karlsruher SC folgte eine Pleitenserie mit fünf torlosen Spielen in Folge, die den SSV direkt wieder auf den Boden der Tatsachen und auf Rang 14 der Tabelle zurückholte. Neben der sportlichen Krise führten Ende September zudem der Rücktritt von Geschäftsführer Roger Stilz nach nur zehn Monaten aus persönlichen Gründen und unter anderem die Wechselpanne um Bayern-Leihgabe Sapreet Singh, der aufgrund eines Formfehlers dem Jahn erst ab 2023 helfen durfte, für Unruhe im sonst so ruhigen Umfeld des Vereins. Nun dürfe man nicht „in Panik geraten“ und müsse „alle Kräfte bündeln, um aus der Situation zu entkommen“, forderte Selimbegovic.
Bayern-Leihgabe Sapreet Singh (hier am Ball) durfte aufgrund eines Formfehlers erst 2023 für den Jahn auflaufen © Gatzka
Zurück in der Spur: Vertragsverlängerung als Belohnung
Gesagt, getan. Ein starker Oktober mit beachtlichen zehn Punkten aus fünf Spielen brachte den Jahn wieder zurück in die obere Tabellenhälfte. Für die Vereinsverantwortlichen Grund genug, den auslaufenden Vertrag von Chef-Trainer Selimbegovic bis Sommer 2024 zu verlängern. Er stehe für „all das, was den SSV Jahn auszeichnet und stark macht“, erklärte Philipp Hausner, kaufmännischer Geschäftsführer, Ende Oktober. Auch Selimbegovic freute sich darüber, weiterhin Teil der Jahn-Familie bleiben zu dürfen und kündigte an, jeden Tag sein „Bestes“ für den Verein zu geben. Mit Ex-Profi Tobias Werner war zudem schnell ein neuer Geschäftsführer Sport gefunden. Und auch wenn der SSV zum Abschluss der Hinrunde aufgrund vieler Verletzter und wenig Spielglück in der Tabelle noch auf Platz 12 fiel, was Selimbegovic zufolge unter anderem am fehlenden Spielglück und den vielen Verletzten wie Kapitän Benedikt Gimber lag, herrschte am Ende des Jahres eine durchaus zuversichtliche Grundstimmung im Verein.
Zum ersten Mal in der Abstiegszone
Mit „neu aufgeladenen Akkus“ und „Bock auf Fußball“ sollte der Klassenerhalt gemeistert werden, selbst wenn er erst am letzten Spieltag gelingen würde, erklärte Selimbegovic, „weil man sieht, dass diese Liga vom Jahr zu Jahr stärker, ausgeglichener, unberechenbarer ist“. Was ihm und dem Verein alles bevorstand, ahnte der 41-Jährige damals noch nicht. Zum einen verlor der Jahn Anfang Februar seinen Co-Trainer Sebastian Dreier, zum anderen fast alle Spiele zu Beginn der Rückrunde. Einige schwache Leistungen und nur ein magerer Punkt lautete die Bilanz aus den ersten sechs Spielen nach Rückrundenbeginn. Zum ersten Mal in der Saison war der SSV damit auch in die Abstiegszone gerutscht, wodurch die (mediale) Kritik an Selimbegovic zunahm. Eine Trainerdiskussion wollten die Verantwortlichen des Vereins zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht aufkommen lassen und stärkten Selimbegovic bei jeder Gelegenheit öffentlich den Rücken. Im schnelllebigen Fußballgeschäft eine nicht immer selbstverständliche Entscheidung. „Wir haben nach einer langen Sitzung beschlossen, die Trainer-Frage für diese Saison zu beenden“, klärte Präsident Hans Rothammer stellvertretend im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk auf und bezeichnete eine Trainerentlassung zu diesem Zeitpunkt als „fatalen Fehler“.
Ein Hoffnungsschimmer im März
Zunächst zahlte der 41-jährige Fußballlehrer das ihm entgegen gebrachte Vertrauen auch zurück. Die beiden Siege gegen Kiel (2:1) und Paderborn (1:0) Mitte März brachten den Jahn an Spieltag 25 wieder hoch auf Rang 14. Eine „riesige Erleichterung“, ließ Kapitän Benedikt Gimber durchblicken. Selimbegovic selbst hoffte, dass der Bann nun gebrochen sei und forderte seine Mannschaft gleichzeitig dazu auf, jetzt nicht nachzulassen.
Ein Hoffnungsschimmer im März: Prince Owusu erzielt per Elfer den 1:0-Siegtreffer gegen den SC Paderborn © Gatzka
Verlorene Endspiele
Gelingen sollte dieses Vorhaben jedoch nicht. Zu mutlos und ungefährlich agierte der Jahn in den anschließenden vier Partien und blieb konsequenterweise ohne Sieg. Schnell war der SSV also wieder in der Abstiegszone gefangen. Als dann auch noch das richtungsweisende Heimspiel gegen den Tabellenletzten Sandhausen mit 1:2 verloren ging, kippte die Stimmung Ende April endgültig ins Negative. Insbesondere bei den Fans, die sich für die Partie sogar extra einen Sonderzug gemietet hatten. Sie ließen dann auch ihrem Frust freien Lauf und stellten die Mannschaft zur Rede. „Völlig verständlich“, sah Kapitän Gimber ein: „Das war heute zu wenig von uns“. Auch Selimbegovic fand keine Erklärung für den „blutleeren Auftritt“ und sprach von einer „verpassten Chance“. Dass seine Mannschaft nicht aufgegeben habe, stimme ihn trotz des schweren Restprogramms immer noch positiv dafür, den Klassenerhalt noch schaffen zu können, der für den Verein „elementar wichtig“ sei.
Trotz sportlicher Krise: Spieler applaudieren Fans, die den Verein die ganze Saison über vorbildlich unterstützt haben © Gatzka
Allerdings sollte die nächste Partie bereits sein persönliches Endspiel werden. Beim Gastspiel in Rostock — einem weiteren direkten Konkurrenten — verlor der SSV erneut (0:2) und somit auch weiter an Boden auf die Nichtabstiegsplätze. Drei Spieltage vor Saisonende stand der Jahn damit auf Rang 17, zwei Zähler hinter dem Relegationsplatz und ganze sechs hinter Platz 15. Selimbegovic selbst wirkte ratlos, sprach von einer verdienten Niederlage und flüchtete sich in Durchhalteparolen: „Wir müssen uns gemeinsam aus dieser Situation herausarbeiten und weiter kämpfen“, sagte der 41-Jährige im Hinblick auf die verbleibenden Partien. In denen müsse man jetzt jeweils drei Punkte holen. Das sei „unsere einzige Chance“.
Entlassung , die trotz „anhaltender Ergebniskrise“ überraschend kam
Doch diese Chance sollte Selimbegovic selbst nicht mehr erhalten. Am Morgen des 09. Mai dieses Jahres verkündete der Jahn die Entlassung des 41-Jährigen. Um für „neue Reize“ beim Kampf um den Klassenerhalt Platz zu machen, hieß es offiziell von Präsident Rothammer. Trotz der schlechten Tabellensituation kam die Freistellung durchaus überraschend, hatten die Verantwortlichen bekanntlich stets betont, am Trainer mindestens bis zum Saisonende festhalten zu wollen. Die Trennung fiel neben den Verantwortlichen besonders den Ultras schwer, die sich im darauffolgenden Heimspiel sogar noch mit einem Banner bei Selimbegovic bedankten, was bei Trainerentlassungen eigentlich eher die Ausnahme als die Regel ist. Aber schließlich war der ehemalige Jahn-Innenverteidiger 17 Jahre lang ununterbrochen Teil des Vereins, führte den SSV drei Jahre in Folge zum Klassenerhalt in der zweiten Liga und war zur Identifikationsfigur aufgestiegen. Doch aufgrund der anhaltenden Ergebniskrise sah sich der Verein letztendlich zum Handeln gezwungen. Für viele Fans kam die Trennung sogar entschieden zu spät, um den Abstieg noch vermeiden zu können. Sie hätten eine frühere Entlassung begrüßt.
Jahn-Fans bedanken sich mit einem Banner für „17 Jahre Herzblut“ bei Selimbegovic © Gatzka
Abstieg nicht mehr abzuwenden
Einen Tag darauf wurde Joe Enochs vom FSV Zwickau als neuer Chef-Trainer vorgestellt, der das Ruder noch einmal herumreißen sollte. Doch sein Debüt — ausgerechnet gegen den Aufstiegskandidaten HSV— ging mit 1:5 gründlich in die Hose. Einen Spieltag später war der direkte Abstieg dann auch rechnerisch sicher und die Stimmung im Verein dementsprechend am Boden. Am Ende dieser Seuchen-Saison stand der direkte Abstiegsplatz 17, bei nur 31 Punkten und 34:58 Toren. Zudem vermeldete der Verein kurz nach Saisonende ganze 23 Spielerabgänge. Ein erwartbarer Umbruch. Unter anderem deshalb musste auch Tobias Werner nach nur sechs Monaten Amtszeit schon wieder gehen. Er war bereits der dritte Sportdirektor, der es verpasst hatte, gültige Verträge für die 3. Liga auszuhandeln, wodurch dem Verein aufgrund der zahlreichen ablösefreien Abgänge nun viel Geld entgeht, das man nach dem Abstieg für den Wiederaufbau verwenden hätte können. Neben den finanziellen Einbußen stehen in Zukunft obendrein wieder Partien gegen eher unattraktive Gegner wie Verl oder Halle auf dem Spielplan — anstatt Gastspiele von Zuschauermagneten aus Hamburg oder Gelsenkirchen.
Was Hoffnung für die Zukunft macht
Doch bei aller Verzweiflung gibt es auch einige Aspekte, die Hoffnung auf einen schnellen Wiederaufstieg machen. Denn mit Joe Enochs haben die Verantwortlichen bereits vorausschauend einen Trainer mit über 200 Spielen Erfahrung in der 3. Liga verpflichtet. Auch die Auftritte an den letzten beiden Spieltagen der vergangenen Saison unter dem neuen Trainer machen durchaus Mut. Hinzu kommt, dass mit Achim Beierlorzer ab Juli ein ehemaliger und vor allem erfolgreicher Weggefährte beim Jahn unter Vertrag steht, der als neuer Geschäftsführer Sport den Klub wieder in die richtigen Bahnen lenken kann. Unter dem Trainer Beierlorzer spielte der Jahn bekanntlich seine bisher beste Saison im deutschen Profifußball. Zudem hat sich der Jahn bereits in der Vergangenheit als ein Klub präsentiert, der sich gegen zahlreiche Widerstände durchsetzen und Ziele erreichen kann, die dem Verein oftmals nicht zugetraut worden wären. Dies beweist die jüngere Vereinshistorie recht anschaulich. Doch das alles kann nur mit einer detaillierten Analyse und Aufarbeitung der vergangenen Fehler gelingen und wenn alle im Verein an einem Strang ziehen. Denn nur zusammen kann eine schnelle Rückkehr in die 2. Liga gelingen.
Jonas Zehentner / RNRed