Nach sieben Teilen und sieben faszinierenden Reisen zu Freunden in entfernten Ländern endet unsere Reihe über die Partnerstädte Regensburgs mit der achten und vorerst letzten Metropole: Qingdao. Ein Ausflug in Wort und Bild, in eine unendlich faszinierende Stadt.
Qingdao ist die vielleicht rätselhafteste Partnerstadt Regensburgs. Die chinesische Millionenstadt ist dabei nicht nur die jüngste, sondern auch die Partnerin, die mit Regensburg gleichzeitig am wenigsten und am meisten gemein hat. Von chinesischem Bier, Abkühlung am Sandstrand, deutschen Kaisern und einer Menge Tradition. Welcome to Tsingtau!
Eine Partnerstadt groß genug, um sie zu teilen
Qingdao in der östlichen chinesischen Provinz Shandong kann auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken. Heute ist die Stadt mit rund neun Millionen Einwohnern beinahe siebenmal so groß wie die bayerische Hauptstadt München und damit locker 50-mal größer als Regensburg. So unvorstellbar die Zahl im ersten Moment auch klingt: Qingdao schafft es nicht in die zehn größten Städte der Volksrepublik. Aufgrund der hohen Einwohnerzahl verwundert es auch nicht, dass Regensburg nicht die einzige deutsche Partnerstadt Qingdaos ist. Auch Wuppertal, Mannheim Wilhelmshaven und Paderborn sind (Kooperations-)Partner der Hafenstadt am Gelben Meer. Erste Siedlungen in der Region lassen sich über 6.000 Jahre in die Vergangenheit zurückverfolgen, die Entwicklung zur absoluten Metropole durchlief Qingdao jedoch erst in den letzten 70 Jahren. 1950 wohnten urbanen Siedlungsgebiet noch überschaubare 750.000 Menschen. Um die Jahrtausendwende waren es immer noch „nur“ drei Millionen, ehe sich die örtliche Bevölkerung in den letzten 20 Jahren noch einmal mehr als verdoppelte.
Qingdao: Grüne Perle am gelben Meer
Qingdao oder Tsingtau? Zweiteres ist die Variante, die man auch heute noch im Duden findet. Denn vor 120 Jahren war der Name noch wesentlich geläufiger: Qingdao war rund 17 Jahre lang Teil des deutschen Kaiserreichs. Ein Umstand, den man der Stadt auch heute noch ansieht und der sie in gewisser Weise bis heute über die Grenzen Chinas heraus bekannt macht, denn die Deutschen brachten damals nicht nur Kriegsschiffe mit in die Hafenstadt, sondern auch bayerisches Kulturgut. Das bedeutendste wird auch heute noch in Qingdao hergestellt und zwar bis heute nach dem Reinheitsgebot von 1516. Bei einigen, die beim Blick in die Speisekarte ihres Lieblings-Asiaten schon einmal etwas genauer hingeschaut haben, ist jetzt ein Groschen gefallen: Tsingtao-Bier, in seiner ikonischen grünen Flasche, kommt aus Qingdao. Kleiner Fun-Fact am Rande: Die Farbe der Flasche nimmt wahrscheinlich Bezug auf den Namen der Stadt, denn „qing“ bedeutet nichts anderes als „grün“ beziehungsweise „üppig“. Wegen der umliegenden Vegetation wurde Qingdao deshalb auch oft als üppige Perle im Osten Chinas beschrieben.
Bild: Beebright
1903 und damit vor 120 Jahren eröffneten deutsche Migranten vor Ort die heute weltbekannte Brauerei, um nicht auf ihr Feierabendbier verzichten zu müssen. Eigentlich war die Stadt für 99 Jahre an das Deutsche Reich abgetreten worden, doch das deutsche Kapitel wurde durch den Ausbruch des ersten Weltkriegs stark gekürzt. Zurückblieb Geschichte, Bauwerke, Sprache und eben Bier. Heute wird Tsingtao in dutzende Länder exportiert und ist selbstverständlich das am meisten getrunkene Bier Chinas. Natürlich immer noch einzig mit den vier zugelassenen Zutaten gebraut, findet es auch seinen Weg in deutsche Feinkostläden und Restaurants. Die Brauerei selbst hat schon von ihrem Aussehen her etwas Urdeutsches – um nicht zu sagen Bayerisches – und ist eine der beliebtesten Attraktionen Qingdaos. Neben einer Brauereiführung und Bierverkostung gibt es vor Ort auch einen Raum, in dem durch beweglichen Boden und Spiegel-Installationen das Gefühl eines Bierrausches erzeugt wird. Die Brauerei mit ihrem charakteristischen Glockenturm ist jedoch bei weitem nicht das einzige Bauwerk, das aus der deutschen Kolonialzeit erhalten blieb. China als Land der Kontraste zu bezeichnen ist abgedroschen, zwingt sich einem in Qingdao jedoch geradezu auf. Im Vordergrund einer wachsenden Metropole dessen Bild von Wolkenkratzern bestimmt wird, finden wir hier deutsches Fachwerk, Kopfsteinpflaster und sogar eine katholische Kathedrale, wie man sie auch in einem Stadtteil von Regensburg finden könnte. Das dem Heiligen St. Michael geweihte Gotteshaus entstand im Gegensatz zur Brauerei jedoch nach dem Ende der kolonialen Besetzung und wurde 1932 unter dem aus Beratzhausen stammenden Vikar Georg Weig gebaut: Ein Stück Oberpfalz steht also bereits seit rund 90 Jahren in Qingdao.
Bild: stargazer84
Weitere Bauwerke, die einen vergessen lassen, dass man sich mehrere tausend Kilometer von der Heimat entfernt befindet, sind die evangelische Kirche Tsingtaus, das imposante ehemalige Verwaltungshauptquartier und der alte Bahnhof Qingdaos. Bei Touristen besonders beliebt ist die ehemalige Gouverneurs-Residenz, die mit einem wilden Mix aus Fachwerk, Naturstein und beinahe griechisch anmutenden Säulen aufwartet. Das Gebäude selbst ist heute ein Museum, in dem man viel über die 17 Jahre deutsche Herrschaft über die Stadt lernen kann. Den meisten Touristen ist der Umfang der damaligen Kolonialisierung nicht bewusst, tatsächlich hat diese aber auch heute noch Einfluss auf die Bauweise der Stadt. In Qingdao findet man im Kontrast zum Rest des Landes ganze Viertel, die trotz extremen Bevölkerungswachstum nicht auf Hochhausbauweise setzen, sondern eher auf an deutsche Siedlungen erinnernde Wohnhäuser bauen.
Für Qingdaos Popularität sorgt jedoch auch die Lage der Stadt selbst. Direkt an der Küste gelegen besitzt die Stadt einige der größten – und schönsten – Strände Chinas. Das beschert der Region auch viele einheimische Touristen, die in Qingdao Zuflucht vor dem Stress ihres Alltags suchen. Was beim Anblick der auch heute noch stetig wachsenden Skyline der Stadt absurd wirkt, wird verständlicher, wenn man die teils malerischen Strände und Naherholungsgebiete der Metropolregion sieht. Besonders beliebte Strände sind dabei das Laoshan Areal und der „Golden Beach“, die mit Badestränden Südeuropas mehr als nur mithalten können. Aber auch eine ganze Reihe an weiteren Ständen, die zum Teil direkt an die Stadt anschließen, laden zum Baden ein. Einen Panoramablick über Qingdao bietet der direkt hinter der Stadt im Landesinneren liegende Fushan. In dem gerade einmal 7,5 Quadratkilometer großen Naturareal befindet man sich am Gipfel auf eigentlich entspannten 384 Höhenmetern – dies reicht jedoch völlig, um das volle Ausmaß der 9-Millionen-Stadt einfangen zu können. Dass dabei atemberaubende Natur auf chinesische Hyper-Industrialisierung trifft, muss nicht gesondert erwähnt werden.
Zurück vom Berg fällt einem direkt im Herzen der Stadt meist zuerst eine kaum übersehbare riesige Kunstinstallation ins Auge. Diese befindet sich auf dem Platz des vierten Mais. Warum ausgerechnet diesem Tag ein ganzer Platz gewidmet wurde hier im Detail zu erklären, würde den Rahmen des Artikels sprengen, daher in aller Kürze: Der vierte Mai 1919 markiert den Tag, an dem China sich gegen die nach Ende des ersten Weltkriegs in Versailles gefassten Beschlüsse zu Wehr setzte. Hier war über die chinesische Bevölkerung hinweg entschieden worden, dass Qingdao nicht an China zurückgehen, sondern in den Besitz Japans wandern sollte. Studenten waren die ersten, die sich zu einer Bewegung zusammenfanden, später schlossen sich auch Arbeiter den Protesten an. Der bekannte Vorsitzende der kommunistischen Partei Mao Zedong sah in der Bewegung des 4. Mai nicht weniger als die Grundsteinlegung der kommunistischen Revolution Chinas. Tatsächlich waren die Proteste jedoch nicht erfolgreich und Japan blieb noch einige Jahre in Besitz Qingdaos. Nachdem auch der zweite Weltkrieg seinen Schatten über China geworfen hatte, begann endlich die Entwicklung zur Metropole, die heute bestaunt werden kann.
Bild: flanker82
Die beeindruckende Skyline Qingdaos wirkt vor allem im Kontrast zur traditionellen chinesischen Architektur und den umliegenden Stränden wie etwas, das direkt aus einem Anime oder Manga stammen könnte. Kaum zu glauben aber wahr: Keiner der Türme von Qingdao schafft es in die Liste der 20 höchsten Gebäude Chinas. Ermöglicht hat den Bau-Boom im Osten Chinas vor allem die gute Anbindung über den Seeweg. Der Hafen von Qingdao ist der achtgrößte der Welt – und damit trotzdem nur der drittgrößte Chinas. Spitzenreiter Shanghai soll jedoch durch künftige Erweiterungen abgelöst werden. Ein örtlicher brandneuer Flughafen, das moderne Metro-System der Stadt und die längste Autobahnbrücke über Wasser der Welt runden das Verkehrsangebot Qingdaos ab. Während in Regensburg Grabenkämpfe um 500 Meter Straßenbahn geführt werden, fahren die Wagen der Straßenbahn hier durch Brennstoffzellen betrieben sogar teils ohne externe Stromversorgung. Eines der bisher unerwähnten Wahrzeichen der Stadt erreicht man jedoch in letzter Konsequenz nur zu Fuß oder mit dem Rad: Das Zhanqiao Pier befindet sich am südlichen Ende von Qingdao und ist rund 440 Meter lang. Star des ehemaligen Ladebereichs ist der achteckige Pavillon, der 1930 errichtet wurde. Und das Logo der Tsingtao-Brauerei trägt. Der Pier selbst ist tatsächlich rund 40 Jahre älter und auch heute noch ein beliebter Aussichtspunkt.
Ein Stück Regensburg: Ein guter Grund zu reisen
Eine Reise nach Qingdao gestaltet sich trotz exzellenter Infrastruktur vor Ort leider schwierig. Flüge in die Partnerstadt Regensburgs sind meist mit langen Zwischenaufhalten verbunden und teuer. Doch wer die beschwerliche Reise in den Osten Chinas auf sich nimmt, wird mit einer Stadt belohnt, die es so kein zweites Mal auf dieser Welt gibt. Ein Ort an dem bayerischen Gemütlichkeit auf chinesische Arbeitsmoral und atemberaubende Natur auf spektakuläre Architektur trifft.
Die Stadt Regensburg befindet sich gerade noch auf der Suche nach weiteren Partnerstädten und das mit gutem Recht, denn egal ob Aberdeen, Pilsen, Tempe oder Qingdao – ob Ungarn, Italien oder Frankreich. Regensburg hat das Glück gute Freunde auf der ganzen Welt zu besitzen. Und damit hat auch jeder Bürger unserer Oberpfälzer Hauptstadt einen Anreiz zu reißen, fremde Kulturen kennenzulernen und zu entdecken, was uns alle verbindet.
Alle bisher erschienenen Ausflüge in unsere Partnerstädte finden sich bequem zum Nachlesen auf Regensburger-Nachrichten.de:
AberdeenBrixen
Budavár
Clermont-Ferrand
Odessa
Pilsen
Tempe
Lucas Treffer / RNRed